Boston/Wien - In gleich drei groß angelegten Studien in der neuesten Ausgabe der US-Medizinfachzeitschrift "New England Journal of Medicine" wird ein ausgesprochen positiver Effekt einer Behandlung der Erkrankten mit schubförmiger Multipler Sklerose (MS) mit monoklonalen Antikörpern (Natalizumab) berichtet. Allerdings kommt es dabei sehr selten auch zu schweren Nebenwirkungen, betont Univ.-Prof. Dr. Hans Lassmann vom Institut für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien.

In der Langzeittherapie der MS - in Österreich gibt es rund 8.000 Patienten - setzten die Neurologen in den vergangen zehn Jahren vor allem auf Beta-Interferon-Injektionen. Hinzu kam vor einigen Jahren mit dem ebenfalls immunmodulatorisch wirkenden Glatirameracetat eine weitere medikamentöse Therapie. Die Effekte sind ähnlich: Die Häufigkeit von akuten MS-Schüben, bei welchen sich die Lähmungserscheinungen schließlich summieren können, wird um etwa ein Drittel reduziert. Die Beta-Interferon-Therapie hat aber auch Nebenwirkungen wie z.B. häufig grippeähnliche Symptome.

Bei der MS kommt es durch das Einwandern von autoaggressiven Immunzellen in Gehirn und Rückenmark zu immer wieder aufflammenden Entzündungen, welche die Isolierschicht der Nervenzell-Fortsätze zerstören und so zu den charakteristischen fortschreitenden Lähmungen führen.

Monoklonale Antikörper

Jetzt gibt es neben Beta-Interferon offenbar auch monoklonale Antikörper mit einer spezifischen Wirkung gegen die MS. Lassmann: "Es handelt sich dabei um monoklonale Antikörper (Natalizumab), das alpha-4beta-1-Integrinmolekül an der Oberfläche von weißen Blutkörperchen." Mit dieser Oberflächenstruktur dringen die Immunzellen durch Gefäßwände in das Gehirn ein. Wird es blockiert, wird der Einstrom der aggressiven Immunzellen in das Zentralnervensystem im Rahmen der MS blockiert.

In der ersten Studie wurden von 942 Patienten mit einer schubförmigen MS 627 Probanden alle vier Wochen mit einer Dosis von 300 Milligramm Natalizumab per Infusion behandelt, der Rest erhielt ein Scheinmedikament. Die Autoren um Dr. Chris H. Polman (Vrije Universität Amsterdam): "Innerhalb von zwei Jahren reduzierte Natalizumab die Gefahr einer Verschlechterung der Invalidität um 42 Prozent (von einer Häufigkeit von 29 auf 17 Prozent, Anm.). Innerhalb eines Jahres gab es um 68 Prozent weniger akute Schübe der Erkrankung.

In der zweiten Studie von Dr. Richard A. Rudick (Cleveland Clinic Foundation) wurde eine Behandlung mit Interferon-Beta allein mit einer aus Beta-Interferon plus Natalizumab verglichen. An der Studie nahmen 1.171 Patienten teil. Hier zeigte sich unter der Kombinationstherapie ein um 24 Prozent verringertes Risiko auf eine andauernde Verschlechterung der Krankheit.

Keine Kombination

Lassmann: "Natalizumab hat offenbar eine stärkere Wirkung als Beta-Interferon. Eine Kombination der beiden Medikamente bringt wenig zusätzliche Wirkung." Das Problem von Natalizumab: Schon während der Studien gab es bei den Probanden, welche die monoklonalen Antikörper erhielten einzelne Fälle einer schweren Nebenwirkung: Es kam im Gehirn zu einer Aktivierung von JC-Viren mit einer potenziell tödlichen Gehirnentzündung als Folge. Laut dem Wiener Wissenschafter wird allerdings kalkuliert, dass dies nur ein Mal unter mehreren hundert Behandelten auftritt. (APA)