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Peter Jensen begegnete der erwachsenen Welle mit Ironie und schickte Models mit Big Hair, perlenbesetzten Haarreifen und pseudoeleganten Ensembles auf den Catwalk.

Foto: REUTERS/Luke MacGregor

Die London Fashion Week ist im Gegensatz zu den Schauen in Paris, Mailand und New York weder Plattform für Big Names noch für Big Business. Sie konzentriert sich auf die Förderung junger Designtalente. Von der kreativen Mischung aus Improvisation, neuen Ideen und Chaos, von Einladungen wie aus einer Alternativ-Bastelstunde, und Show-Locations am Rande der Welt aber heuer keine Spur: Die Nachwuchsdesigner zeigen ernste Outfits in Kirchen, dem altehrwürdigen Victoria & Albert Museum oder in Nobelrestaurants. Und spätestens als Fashion East, eine Jungdesignerinitiative aus dem alternativ-kreativen East London, die neuesten Kollektionen für Herbst und Winter 2006/07 bei Kaffee und Kuchen in einer lusterbeleuchteten Edel-Stätte im teuren Westen präsentierte, war klar, dass sich London neuerdings "very sophisticated" gibt.

Strenges Schwarz und Mädchenhaftes

Das Ergebnis war viel strenges Schwarz und cleanes Kamelbeige, mehr Pelz als erwartet, Plissee und klassisches Tailoring in Verbindung mit einem Touch Dominatrix. Mode-Duo Preen zeigte neben reduziert-avantgardistischen Minikleidern in Schwarz und Knallrot fast schon klassische beige Kurzmäntel. Printspezialist Jonathan Saunders hat gründlich recherchiert, wer denn so seine Käufer sind, und Schnittzeichnen geübt, was seine atemberaubenden Textildrucke auf ein neues Level hob, während Emma Cook ihren gewohnt mädchenhaften Kleidern mit schwarzem Lederappliqué einen eleganten Schliff gab und auch - kommerziell clever - Taschen und Schuhe einstreute.

Sogar Skandalnudeln Basso & Brooke, die einstmals mit fröhlichen Genitaldrucken in Knallfarben Aufsehen erregten, zeigten verhältnismäßig gezähmte taillierte Jacketts und dunkle Jack-the-Ripper-Romantik. Peter Jensen begegnete der erwachsenen Welle mit Ironie und schickte Models mit Big Hair, perlenbesetzten Haarreifen und pseudoeleganten Ensembles im Stil der Kosmetikgigantin Helena Rubinstein auf den Catwalk. Immer schon zivilisiert, aber heuer besonders elegant war Paul Smith, der mit einer neuen "Men Only" Kollektion auf den allgemeinen Wunsch nach einer klassischen "Herrenkollektion" für Damen reagierte.

Theatralik und Luftballons

Bleibt noch Gareth Pugh. Das Modeestablishment findet seine Entwürfe unrealistisch, andere wissen, dass es bei Pugh nicht um Nebensächlichkeiten wie Tragbarkeit geht. Der 24-jährige Nordengländer macht nach eigenen Angaben nicht Kleider, sondern "Fashion". Obwohl auch er sich heuer auf vergleichsweise elegante Linien in Schwarz konzentrierte, zelebrierte er genau jene übertriebene Theatralik, für die die Modewelt sonst oft kritisiert wird, und machte zudem kein Hehl aus seiner Schwäche für Luftballons.

Auf dem Heimweg von den Shows im noblen Westlondon steht Mister Pugh in der U-Bahn nach Osten neben der Berichterstatterin. Er trägt Sportbrille mit Damenhut, Stiefeletten mit Absatz und viel roten Lippenstift, was zwei direkt gegenüber sitzende Damen prompt dazu veranlasst, sich zehn Minuten lang ausgiebig mit ihrem Schuhwerk zu beschäftigen. Als der Jungstar aussteigt, meint eine der beiden: "Der ist aber süß." "Süß, Schrägstrich tragisch", entgegnet Lady Nummer zwei und fasst damit die ambivalente Haltung der Londoner Modeszene zusammen, die nicht zu wissen scheint, ob sie zu einem eleganten und kommerziell erfolgreichen zweiten New York werden oder doch auf die "Mode-um-der-Mode-willen"-Ästhetik exzentrischer Jungdesigner setzen soll. (DER STANDARD, rondo/3/3/2006)