Wien - Die Interviews, die der britische Holocaust-Leugner David Irving nach seiner Verurteilung wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung in seiner Zelle im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus mehreren britischen Journalisten gegeben hat, haben am Mittwoch die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. "Wir müssen darauf reagieren. Man kann das nicht übersehen", hieß es auf Anfrage der APA. Möglicherweise wird Irving wegen neuerlicher Verstöße gegen das Verbotsgesetz angeklagt.

Zuletzt hatte Irving in einem Interview mit der BBC die Opferzahlen in Auschwitz angezweifelt und die organisierte Vernichtung von Juden unter den Augen Adolf Hitlers als "absolut falsch und nicht beweisbar" bezeichnet. Hitlers Beteiligung am Holocaust sei "mit einem großen Fragezeichen" zu versehen, sagte Irving.

Diese Aussagen dürften zunächst die Chancen des 67-Jährigen auf eine Strafreduzierung im anhängigen Rechtsmittelverfahren mindern. Irving hat gegen die drei Jahre unbedingte Haft, die am Montag vergangener Woche ein Schwurgericht nach Paragraf 3g Verbotsgesetz über ihn verhängt hatte, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet.

Es könnte aber noch dicker kommen: Da er die Interviews nach dem Urteil gegeben hat, können darin enthaltene Passagen ihm neuerlich zum Vorwurf gemacht werden und damit neue Tatbestände begründen. Die Staatsanwaltschaft hat bereits das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz mit weiteren Erhebungen - beispielsweise über das Zustandekommen der Interviews - betraut und lässt den genauen Wortlaut transkribieren.

Diskussion über Interviews

Unterdessen ist auch eine Diskussion darüber angelaufen, ob es ein gutes Licht auf die Justiz wirft, wenn man David Irving in seiner Zelle "Hof halten lässt", wie es ein Kritiker formuliert. Grundsätzlich dürfen Angeklagte im Wiener Straflandesgericht vor ihrer Verhandlung niemals von Journalisten besucht werden. Ob sie nach dem Prozess und vor dem Rechtsmittelverfahren Medienvertreter empfangen dürfen, entscheidet der jeweilige Hauptverhandlungsrichter.

Einige Richter im Grauen Haus verweigern das kategorisch. Andere lassen offenbar mit sich reden. "Der für David Irving zuständige Richter hat nach Rücksprache mit dem Präsidium für Reporter eine Sprecherlaubnis von jeweils 15 Minuten erteilt. Man ist dem nicht entgegen getreten, denn das ist Entscheidung der unabhängigen Rechtsprechung", erläuterte Gerichtssprecherin Alexandra Mathes am Mittwoch auf Anfrage der APA.

Ton- und Filmaufnahmen wären aber strengstens verboten, betonte Mathes. Auf der BBC-Homepage ist allerdings ein Audio-Interview abrufbar, das Gespräch mit Irving wurde offenbar mitgeschnitten. Wie es dazu kommen konnte, ist nun Gegenstand interner Untersuchungen. (APA)