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derStandard.at: Was genau in der Weiterbildung fällt in Ihren Bereich als Personaldirektor?

Johann Hainzl: Human Resources ist ein Serviceunternehmen im Unternehmen. Wir müssen immer das Ohr auf den Schienen haben, was grundsätzlich benötigt wird, wir müssen verstehen, wie unser Geschäft läuft, wie setzt es sich zusammen, welche Ressourcen werden wir in den kommenden Monaten und Jahren brauchen, um hier entsprechend Umsatz und Profit zu machen. Dazu müssen wir schauen, welche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit welchen Aufgabengebieten gefragt sind.

Ein zweiter Punkt ist die Analyse, welche Mitarbeiter mit welchen Fähigkeiten wir derzeit haben und ob die Skills adäquat sind, um unsere Businessziele zu unterstützen. Hier müssen wir schauen, was benötigt wird, um unsere MitarbeiterInnen entsprechend zu trainieren, um uns mit dem entsprechenden Wissen am Markt durchsetzen zu können. Dann geht es um Organisation, damit wir die richtigen Kurse überhaupt anbieten können.

derStandard.at: Wo sehen Sie die Hauptvorteile im Bereich Weiterbildung in einem großen globalen Unternehmen wie der IBM?

Johann Hainzl: Die internen Möglichkeiten, sich zu verändern, quer ein- und umzusteigen, andere Jobs außerhalb der eigenen Karriere machen zu können, das ist das Plus eines großen Konzerns. Wenn ich merke, ich habe Talent in einem anderen Bereich, dann kann ich dorthin wechseln und das würde nicht funktionieren, wenn wir nicht eine gute Ausbildung hätten, um uns in die entsprechende Richtung weiterentwickeln zu können. Das wird vom Management auch aktiv unterstützt, dass die MitarbeiterInnen ein anderes Gesichtsfeld bekommen.

derStandard.at: Wie ist die Weiterbildung der MitarbeiterInnen bei IBM organisiert?

Johann Hainzl: Ich fasse den Begriff gerne weiter und nenne es MitarbeiterInnenentwicklung. Dabei geht es zunächst um die individuelle Skills- und Wissenseinschätzung: Welches Wissen hab ich? Nach Absprache mit Abteilungsleiter oder –leiterin wird eine sogenannte "Gap-Analyse" gemacht, wo man feststellt, welches Wissen brauche ich aufgrund meiner Position, um meine Ziele erfüllen zu können. Darauf aufbauend erstellen wir dann einmal jährlich gemeinsam mit dem Management für jede/n MitarbeiterIn einen Individuellen Entwicklungsplan.

derStandard.at: Wie sieht dieser aus?

Johann Hainzl: Darin wird zielorientiert die berufliche Entwicklung der MitarbeiterInnen skizziert: Wohin will ich? Was soll ich? Was brauche ich? Was genau zu tun ist, wird in einem Beratungsgespräch geklärt. Wir erstellen mit den MitarbeiterInnen die Jahresziele und es gibt regelmäßiges Feedback: Wohin habe ich mich entwickelt? Wo stehe ich? Habe ich mein Ziel erreicht? Dabei ist uns ganz wichtig, dass das nicht nur von einer Seite kommt, und keine Zwangsbeglückung ist, sondern es geht darum, gemeinsam die berufliche Entwicklung zu skizzieren: Der Mitarbeiter sagt, wohin er oder sie möchte, das Management, wo es ihn oder sie gerne hätte. Am Jahresbeginn wird geschaut, was will ich erreichen, am Jahresende, was tatsächlich erreicht wurde.

derStandard.at: Und das gilt für alle Firmenebenen?

Johann Hainzl: Ja, für alle MitarbeiterInnen weltweit – von den SachbearbeiterInnen bis zum oberen Management. Wir haben ein sehr großes Interesse, alle KollegInnen gleich gut zu fördern, denn je besser sie ausgebildet sind, und je besser es ihnen geht, umso besser geht es dem Betrieb. Grundsätzlich gibt es keine Vorgabe, wie viel Weiterbildung eine Abteilung oder ein Mitarbeiter pro Jahr besuchen soll, sondern es geht, wie gesagt, um die Bedürfnisse des Einzelnen.

Wir unterscheiden zwischen fachlicher Schiene und persönlicher Weiterbildung – auch ein Sachbearbeiter in der Administration hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen, auf die das Kursprogramm abzielt. Die Persönlichkeitsentwicklung, die Soft Skills, erfordern wahrscheinlich mehr Motivation. Wenn jemand damit Probleme hat, dann kann es hilfreich sein zu sagen, dass andere KollegInnen dieses Seminar, diesen Kurs auch absolviert haben. Wir bieten aber auch Coaching und Mentoring an, wo über Beratung und Gespräche Hemmschwellen ausgeräumt werden können.

derStandard.at: Wie motivieren Sie die MitarbeiterInnen zu Weiterbildung?

Johann Hainzl: Da der Entwicklungsplan verpflichtend ist, wissen alle MitarbeiterInnen, wie sie sich weiterbilden sollen, wohin sie sich entwickeln sollen. Dabei geht die Firma von ihrer Grundmotivation, weiterzukommen und ihr Ziel zu erreichen, aus. Der Plan zeigt ja auch, wohin meine Reise geht, welche Position ich in Zukunft übernehmen könnte und deshalb ist es von höchstem Interesse, dass jeder und jede diesen Entwicklungsplan auch einhält und die Schulungen macht. Da gibt es schon bestimmte Erwartungshaltungen, dass sich die MitarbeiterInnen selbst weiterbringen wollen. Ich habe aber noch nie erlebt, dass sich jemand quergelegt hätte, wenn es um die Förderung seines oder ihres persönlichen Erfolgs ging.

derStandard.at: Wieviel Spielraum haben die MitarbeiterInnen bei der Auswahl der Kurse und Seminare?

Johann Hainzl: Einen relativ großen: Auf der einen Seite ist definiert, welche Schulungen sie brauchen, um ihren Job zu machen – was sie benötigen, wissen die MitarbeiterInnen durch die Skills-Analyse. Auch da gibt es immer eine Wechselbeziehung: Es ist keine Bringschuld des Managements, aber auch keine Holschuld des Mitarbeiters – Weiterbildung geht nur gemeinsam: Zum einen, was bietet das System, was kann ich als Manager empfehlen, aber der Mitarbeiter soll sich auch selbst schlau machen und schauen, was es zusätzlich gibt.

derStandard.at: Es gibt bei IBM ein weltweites internes Lernmodell – wie sieht das aus?

Wir haben einen "Global Campus", das ist ein internes Schulungsangebot mit mehr als 10.000 Kursen weltweit, da kann sich jeder Mitarbeiter im Intranet ansehen, welche Möglichkeiten es für ihren oder seinen Job gibt. Wir setzen generell stark auf "Blended Learning", die Kombination aus E-Learning und Klassenraumtraining. Unterschiedliche Probleme werden durch unterschiedliche Lösungen angepackt. Für bestimmte Bereiche gibt es auch nur Klassenunterricht oder nur E-Learning: Das klassische Mentoring oder Coaching wird man sehr schwer nur vor dem Computer lernen können, wenn ich mir aber zum Beispiel Steuerrecht oder IBM-interne Instruktionen für meinen Bereich aneignen möchte, dann werde ich das nur vor dem Computer tun.

Auf der untersten Stufe des internen Lernmodells steht die Information: Die MitarbeiterInnen können sich am Campus umsehen, und sich Kurs-Infos am Computer downloaden. Die zweite Stufe ist das interaktive Lernen mit selbstgesteuerten Lernmodulen, interaktiven Spielen, Coachingsimulatoren. Die dritte Stufe ist das kooperative Lernen durch Zusammenarbeit – das sind die virtuellen Klassenräume oder "E-Labs". Auf der höchsten Stufe steht dann das "klassische" erfahrungsbasierte Lernen mit Workshops, Klassenraumtraining, Mentoring, Coaching, Fallstudien.

derStandard.at: Welche außerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen der MitarbeiterInnen unterstützt die Firma?

Johann Hainzl: Alles, wenn es dem Aufgabenbereich des Mitarbeiters dient. Vor allem Sprachkurse, natürlich in erster Linie unsere Konzernsprache Englisch. Im EDV-Bereich decken wir den Großteil der Schulungen intern ab. Für Soft Skills treten wir an die lokalen Anbieter heran.

derStandard.at: Kann ich auch während der Dienstzeit draußen einen Kurs besuchen?

Johann Hainzl: Wenn es für das Aufgabengebiet erforderlich ist, ja. Was natürlich nicht geht, ist, zum Beispiel einen Französischkurs zu besuchen, weil ich gerne in Frankreich auf Urlaub bin. Es muss in den persönlichen Entwicklungsplan passen.

derStandard.at: Wie sieht das internationale Weiterbildungsangebot innerhalb des Konzerns aus? Werden die MitarbeiterInnen auch ins Ausland geschickt, um zu lernen?

Johann Hainzl: Das Ausbildungskonzept wird nicht nur für die IBM Österreich erstellt, sondern es ist ein weltweites Angebot, das bedeutet, dass zum Beispiel Interaktionen wie die virtuellen Klassenzimmer über die Grenze hinausgehen. Da ist schon einmal die internationale Vernetzung gegeben. Dann machen wir auch internationales Klassentraining: Die Managementausbildung in Europa findet zum Beispiel immer in einem anderen Land statt, wo die AusbildungskandidatInnen sich treffen. Es arbeiten auch KollegInnen für einige Zeit in anderen Filialen im Ausland und MitarbeiterInnen aus anderen Ländern hier bei IBM Österreich –da gibt es einen regen Austausch.

derStandard.at: Wie werden MitarbeiterInnen über Weiterbildungsförderungen informiert?

Johann Hainzl: Niemand bei uns bezahlt selbst die Ausbildung, die er oder sie für sein Aufgabengebiet braucht. Auch ein MBA wird voll von IBM abgedeckt. Die Information, die man über Weiterbildungen braucht, findet man auf dem Global Campus über das Mitarbeiterportal im Intranet: Da wird permanent auf neue Kurse hingewiesen, die zu dem jeweiligen Job passen. Und es gibt eben persönliche Beratungsgespräche, wo gezielt auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen und das Angebot gesichtet wird.

derStandard.at: Welche Weiterbildungsmaßnahme haben Sie selbst zuletzt besucht?

Johann Hainzl: Im Vorjahr habe ich eine Coaching-Initiative besucht und ein Diversity- und Inclusive-Leadership-Seminar, weil wir auf diesen Bereich im Unternehmen sehr viel Wert legen. Die Kurse, die ich besuche, zählen nicht nur für mich, sondern ich gebe das dann immer weiter. Ich sitze auch oft in den Seminaren oder Schulungen für unser Managementteam drinnen.

Was wir neu implementiert haben ist ein Management-Feedback-Verfahren: Unsere MitarbeiterInnen wurden 2005 erstmals aufgefordert, ihr Management zu beurteilen – auch die Trainings für dieses Verfahren habe ich besucht. Weiters machen wir regelmäßige Human Resource-Updates über spezielle Themen: Beurteilung, Motivation, etc., das muss vorher entsprechend aufbereitet werden und auch dahingehend habe ich Trainings gemacht. Und noch ein wichtiger Punkt: 2006 ist bei uns das Jahr der internen Klimaverbesserung im Unternehmen. Da fällt alles hinein, was mit unserem Wohlfühlen zu tun hat, und da gibt es einige Initiativen, die ich heuer mit umsetzen werde. (Das Interview führte Isabella Lechner.)