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Der Regisseur Oskar Roehler.

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Wien/Berlin - Es beginnt in elegischem Tonfall: Ein wortkarger, junger Mann (Christian Ulmen) verfasst sein Kündigungsschreiben; er lässt die freundlichen Worte des wohlmeinenden Chefs und manch warmen Händedruck über sich ergehen. Dann jedoch fällt zu Hause, in seiner aufgeräumten Wohnung, der treue Wellensittich tot von der Stange, und man beginnt schon zu ahnen, dass es hier bald noch viel lustiger zugehen wird.

"Ich hab einfach keine Lust mehr zu wixen, ich bin bald vierzig." - Auch die derzeit landauf, landab zwecks Berichterstattung im Fernsehen eingesetzten, immergleichen Filmausschnitte, in denen der eben bei der Berlinale mit dem Darstellerpreis ausgezeichnete Moritz Bleibtreu dem Filmbruder Ulmen launig seine sexuellen Nöte klagt, weisen nicht eben überzeugend auf zwischenmenschliche Endzeitstimmung hin. Vor allem Houellebecq-Fans sind ratlos.

Überlebensstrategien

Dabei haben sie im deutschen Regisseur und Autor Oskar Roehler prinzipiell durchaus einen Verbündeten. Dieser hat Michel Houellebecqs Elementarteilchen bereits kurz nach ihrem Erscheinen Ende der 90er-Jahre gelesen. Er hat in der Erzählung über zwei psychisch versehrte Brüder und deren unterschiedliche Überlebensstrategien in Zeiten von emotionaler Kälte und sexueller Freizügigkeit einen Filmstoff erkannt, für den schließlich Produzent Bernd Eichinger die Rechte erwarb und Stars wie Bleibtreu und Ulmen, Martina Gedeck, Franka Potente oder Nina Hoss vor der Kamera standen.

"Die erste Hälfte des Romans über habe ich viel gelacht, das war wie so ein reicher Zitatenschatz an finsterem Humor. Schwierig wurde es dann eher in Bezug auf die Rückschlüsse, die er aus dem Ganzen zieht. Aber der Kosmos selber, mit der ganzen Schilderung des familiären und politischen Hintergrunds, vor dem diese Figuren leben, der hat mich sehr beeindruckt."

Hoffnungsschimmer

Im Laufe der mehrjährigen Beschäftigung mit dem Stoff und den Figuren dürfte dann allerdings einiges in Eigenbewegung geraten sein: "Wenn du eine bestimmte Wegstrecke mit deinen Figuren zurückgelegt hast, dann kannst du nicht einen gesellschaftspolitischen Ansatz den Film übernehmen lassen. Schließlich musst du die Geschichte plausibel weiterführen, das Gefühl für sie behalten und kannst nicht an irgendeinem Punkt anfangen den Zuschauer zu enttäuschen, indem du mit dem Houellebecq-Stempel kommst und sagst: ,Bis hierhin geht's und jetzt bevor noch der geringste Hoffnungsschimmer auftaucht, zerstöre ich alle menschlichen Beziehungen.'"

Dass er nun vor allem bei den Romankennern auf Unverständnis stößt, nimmt Roehler gelassen: "Ich sage den Leuten immer: Den Film, den ihr gerne sehen wollt, den kann man relativ leicht herstellen, da muss man gar nicht lange drüber nachdenken. Den kann man - polemisch ausgedrückt - Lars von Trier schicken und der beauftragt seine Porno-Abteilung, die Regisseurin von Baise-moi dranzusetzen. Wir haben den Film gemacht, den wir machen wollten - bis in die Besetzung hinein.

Herausforderung

Was für mich auch eine Herausforderung war, ich bin schließlich interessiert daran, mich nicht nur immer dogmatisch in eine Richtung zu entwickeln. Ich muss Lust haben, einen Film zu machen, und ich suche mir da meine Faktoren zusammen."

Und für den Regisseur, der bis zu seinem vorletzten Film tendenziell düstere Beziehungs- und Persönlichkeitsstudien drehte (von Silvester Countdown bis Der alte Affe Angst), gestalten sich diese Faktoren inzwischen eben etwas anders: "Ich war so dankbar, dass ich Agnes und seine Brüder dazwischen gedreht hatte. Der hat mir nämlich so klar eine Richtung vorgegeben, wie ich auch in Zukunft Lust habe, Filme zu machen. Hätte ich den jetzigen Film vielleicht ein paar Jahre vorher gemacht, hätte der eher ausgesehen wie Der alte Affe Angst und wär' ein düsteres Melo gewesen, mit einer großen Anklage an die Gesellschaft. Das hätte ich dann aber auch als reaktionär empfunden. Agnes ist ein ganz eigenständiger Film, der mir sehr am Herzen gelegen ist. Der hat mir im Grunde einen Weg gezeigt, auch mit bekannten Schauspielern zu arbeiten, Szenen lustvoll zu gestalten, einen Unterhaltungswert hineinzubringen usw. Auch mal zu kucken, ob die Witze funktionieren . . ." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26. 2. 2006)