STANDARD: Die EU-Kommission hat Maßnahmen gegen die Einfuhren von Schuhen aus China und Vietnam angekündigt. Zu Recht?

Soldini: In einer Untersuchung hat die von der EU eingesetzte technische Kommission nicht nur Vergünstigungen festgestellt. Der Staat China zahlt seinen Schuhherstellern einen Zuschlag von 15 Prozent als "Exportvergütung". In Vietnam wurde eine Schuhfabrik entdeckt, die von einem General gemanagt wurde. Soldaten fertigen dort Schuhe, die der Armee gehören. Auch hat die Kommission festgestellt, dass die Chinesen die Schuhe unter den Produktionskosten verkaufen. Wenn das nicht Dumping ist.

STANDARD: Werden die Strafzölle ausreichen?

Soldini: Die von der EU-angekündigten Strafmaßnahmen sind nicht effizient. Ein Zoll bis 20 Prozent ist zu gering, damit die europäische Schuhindustrie die Talfahrt beendet. Wir fordern Strafzölle von 50 bis 100 Prozent. Auch war es bei Anti-Dumping-Maßnahmen noch nie der Fall, dass diese stufenweise eingeführt werden. Wir fordern auch weniger Ausnahmen wie Kinderschuhe bis Größe 37,5 oder Wanderschuhe und Stiefeletten.

STANDARD: Die Schuhpreise könnten um bis zu 30 Prozent steigen. Der Verbraucher zahlt?

Soldini: Die Preise dürfen nicht korrigiert werden. Die Importeure und Großhändler kassieren Margen bis zum Zehnfachen des Fabrikpreises. So hat der Verbraucher im vergangenen Jahr, als die Preise pro importierte Lederschuhe aus China um 20 Prozent sanken, keineswegs von der Preissenkung profitiert.

STANDARD: Der italienischen Schuhindustrie wird vorgeworfen, ihre Restrukturierung versäumt zu haben. Dient das Antidumping etwa dazu, die Strukturschwächen zu verstecken?

Soldini: Mit 7000 Unternehmen ist unsere Produktion stark fragmentiert. Ich bin der Ansicht, dass auch heute noch gilt: "piccolo e bello", das heißt kleine Unternehmen bleiben durch ihre Flexibilität weiterhin wettbewerbsfähig. Drei Viertel aller unserer Betriebe zählen zehn bis dreißig Beschäftigte. Immerhin haben diese Betriebe 2004 einen Überschuss im Außenhandel von vier Mrd. Euro erwirtschaftet. Das heißt, dass sie bei gleichen Ausgangsbedingungen wettbewerbsfähig sind.

STANDARD: Werden bei der Internationalen Schuhmesse MICAM im März in Mailand wieder keine chinesischen Aussteller zugelassen?

Soldini: Wir haben eine lange Warteliste. Die Chinesen stehen noch drauf. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.2.2006)