Signale aus dem Inneren des Körpers bringt die Gruppe "feuchte wiesen" in Dialogform.
Foto: Standard/feuchte wiesen
Angefangen hat alles bereits vor mehr als dreißig Jahren: Schon damals ließen Performancekünstlerinnen ihre Körper sprechen, um zu weiblicher Sexualität, Geschlechterrollen und sexueller Gewalt Stellung zu beziehen. Im Rahmen des Festivals wird in Bezug auf diese nach wie vor aktuellen Themen ebenfalls einiges zur Sprache gebracht.

"Voices from the bags"...

heißt ein Projekt der polnischen Künstlerin Malgorzata Bujnicka, in dessen Mittelpunkt Reise- und Handtaschen von Migrantinnen stehen. Als Symbol für das Reisen, das Einpacken und Mitnehmen von persönlichen Dingen gilt es die individuellen Geschichten zu entdecken, die sich hinter diesen Reisetaschen verbergen. Öffnet man eine der Taschen, erzählen ihre Besitzerinnen von Wünschen und Träumen, die sie mit der Migration verbinden.

Dass ihre Wirklichkeit von Angst, Unsicherheit und Ausbeutung geprägt ist, soll dabei ebenso zum Ausdruck kommen wie ihre Entschlossenheit und Durchsetzungskraft. Neben dem Sichtbarmachen der individuellen Lebensrealitäten geht es der Künstlerin aber auch um das Aufdecken von einem strukturellen Problem: um die Sexualisierung von Frauen auf dem globalen Arbeitsmarkt und die Tatsache, dass Migration zunehmend "weiblicher" wird.

"Women's Taxi"

Mit einem strukturellen Problem, das nicht nur die Frauen, sondern die gesamte Gesellschaft betrifft, setzt sich auch die slowenische Künstlerin Aprilija Luzar auseinander, die in ihrem Projekt "Women's Taxi" sexuelle Gewalt gegen Frauen thematisiert. In ihrem Taxi, in dem Informationsmaterialien aufliegen, bietet sie betroffenen Frauen die Möglichkeit, über ihre Vergewaltigungserfahrungen zu sprechen (vom 11. 3. an täglich, ab 14 Uhr). Begleitet wird das Projekt, das im Rahmen des internationalen "V-Days - Stop Rape" ausgezeichnet wurde, von einem Workshop und einer Ausstellung.

"mösen morsen"

Ein bisschen anders als die "Vagina Monologe" von Eve Ensler, die die internationalen V-Days initiierte, funktioniert das Projekt "mösen morsen" der Projektgruppe feuchte wiesen. Denn während in den Vagina Monologen Frauen unterschiedlichen Alters sehr offen über ihre Sexualität sprechen, sind die Frauengespräche, zu denen hier geladen wird, nicht ganz so einfach verständlich. Mittels Vaginalelektroden werden darin Impulse, die durch die Beckenmuskulatur der teilnehmenden Frauen erzeugt werden, in den öffentlichen Raum übertragen und akustisch dargestellt.

"Intimate Date" und "Identification - Disappearance"

Ähnlich wie dieses Projekt, das weibliche Sexualität und Körpererfahrungen indirekt vermittelt, sind auch die Performances der studierten Kostümbildnerin Sabine Oosterlynck angelegt. Nicht der nackte, weibliche Körper soll in ihrer Performance in der ToGBoX ein "Intimate Date" erzeugen, sondern dessen Verzerrung, Übertreibung und Ausdehnung mittels Kostüm. Während sich die belgische Künstlerin mit ihren sinnlichen, nicht schockierenden Performances sehr bewusst von den Aktionen der Siebzigerjahre abgrenzt, wird von der litauischen Künstlerinnengruppe G-Lab der konzeptuelle Geist jener Dekade wiederbelebt. Sechs Stunden lang dauert ihre Performance "Identification - Disappearance":

Eine Frau sitzt auf einem Stuhl und spitzt so lange Bleistifte, bis das vor ihr auf den Boden projizierte Porträt mit Spänen bedeckt ist. Parallel zu ihrer Performance wird dem Publikum in der ToGBoX ein Brunch serviert.

oliviasearch

Auch die rumänische Künstlerin Olivia Mihaltianu präsentiert ihre Arbeit an einem für eine Kunstpräsentation eher unkonventionellen Ort. Vierzehn Tage lang wird ihre Installation in der Buchhandlung Frauenzimmer zu sehen sein, wo sie das Ergebnis ihrer persönlichen Internet-Research zum Thema weibliche Identität präsentiert. Das Publikum hat dort nicht nur direkten Zugang zu einem Computer, der durch ihre oliviasearch-Website führt, sondern auch zu ausgewählten Kunstbüchern, die es unter Umständen wieder zurück zu den Anfängen der Performancekunst bringen. (Christa Benzer/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 24.2. 2006)