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Belgrad dementiert Berichte über die Festnahme von Ratko Mladic

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Bosnierinnen hinter Fahndungsplakaten: Fünf Mio. Dollar Ergreiferprämie für Ratko Mladic und Radovan Karadzic.

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Kein Rauch ohne Flamme. Nach diesem Sprichwort hätte der bosnisch-serbische General Ratko Mladic schon am Dienstag im Gefängnis des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen in Den Haag hinter Schloss und Riegel sein müssen. Denn es rauchte gewaltig; Gerüchte, der mutmaßliche Kriegsverbrecher sei festgenommen worden, überschlugen sich. Ist er aber nicht: Die Berichte erwiesen sich offenbar zunächst als falsch.

Nicht nur die serbische Regierung dementierte die Meldungen, sondern auch die UNO-Chefanklägerin Carla Del Ponte in Den Haag. Die "falschen Gerüchte" aus Belgrad entbehrten jeglicher Grundlage, erklärte sie am Mittwoch in Den Haag. Auch gebe es "keine Hinweise" auf Verhandlungen über die Aufgabe von Mladi´c, worüber sich hartnäckig Gerüchte halten. Allerdings betonte Del Ponte, der Ex-General befinde sich "ohne jeden Zweifel in Serbien". Und es ist nicht das erste Mal, das sie so etwas sagt.

Held oder Verbrecher?

Einigen Gruppen in Serbien gilt Mladi´c immer noch als Held. Genauso, wie der ebenfalls gesuchte politische Ex- Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzi´c. Generell ist die Meinung der Bevölkerung jedoch geteilt, ob man den "kriegsverbrecherischen Dreck" endlich loswerden sollte. Oder ob es, wie die Anhänger Mladi´c' sagen, eine "Schande ist, serbische Helden dem gegen Serben gerichteten politischen Tribunal" auszuliefern. Mit Aufruhr nach einer Verhaftung des Generals rechnen Experten aber nicht. Die Bürger seien der politischen Demonstrationen der vergangenen fünfzehn Jahre müde – die Lösung sozialer Probleme sei wichtiger.

In den Behörden ist ein Sinneswandel hingegen bis heute ausgeblieben. In der serbischen Armee, der Polizei, den 2. Spalte Sondereinheiten und Geheimdiensten sind noch die gleichen Leute in führenden Positionen, die mit Mladi´c in den Krieg zogen. Reformen des Sicherheitsapparats gab es 3. Spalte nicht. Der Generalstab hat neulich zugegeben, dass sich Mladi´c bis Mitte 2002 in "militärischen Objekten" in Serbien aufhielt. Es wird vermutet, dass ihn heute noch Teile 4. Spalte des militärischen Geheimdienstes beschützen und logistisch unterstützen. Selbst der Verteidigungsminister von Serbien und Montenegro, Zoran Stankovi´c, rief Mladi´c 5. Spalte auf, sich freiwillig zu stellen – oder sich das Leben zu nehmen. Der Chef der Streitkräfte machte aber kein Hehl daraus, privat eigentlich mit Mladi´c zu sympathisieren.

6. Spalte

Der serbische Regierungschef Vojislav Kostunica hat oft betont, dass das Tribunal eine "politische" und keine "rechtliche" Institution sei. Die Regierung spricht zwar von "technischen" Problemen bei der Verhaftung von Mladi´c. Die halbherzigen Fahndungsaktionen und die auch sonst mangelnde Zusammenarbeit mit dem Tribunal könnten aber eher als "moralische" Bedenken der serbischen Spitzenpolitiker gedeutet werden. Wenn Mladi´c in Serbien verhaftet wird, dann nicht, weil man daran glaubt, dass er sich wegen Kriegsverbrechen vor dem UNO-Tribunal verantworten sollte und das für Serbien ein notwendiger Schritt für die Vergangenheitsbewältigung wäre – sondern weil die EU Belgrad dazu zwingt.

Drohung der Union

Denn die Union hat mit Serbien im Oktober Verhandlungen über ein Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen begonnen; die Gespräche sollen im April weitergehen. Das gilt als ein erster Schritt für einen zukünftigen EU-Beitritt. Entsprechend groß sind die Erwartungen in Belgrad. Brüssel verlangt aber volle Kooperation mit dem Haager Tribunal – und damit auch die Festnahme von Mladic und Karadzic. Sollte Mladic nicht in Kürze ausgeliefert wird, könnte die EU schon Ende Februar die Fortsetzung der Verhandlungen suspendieren.

Die UNO-Chefanklägerin Del Ponte hat die EU Mittwoch dazu aufgerufen, den Druck auf Belgrad zu erhöhen: mit Ultimaten und Sanktionsdrohungen. Im STANDARD-Interview hatte sie gesagt, Mladic müsse bis Ende Februar ausgeliefert werden. In der Situation, in der Belgrad über den zukünftigen Status des Kosovo verhandelt, und in Montenegro spätestens Mitte Mai das Referendum über die Unabhängigkeit abgehalten wird, kann es sich die brüchige serbische Minderheitsregierung nicht leisten, die Tür, die nach Europa führt, zu schließen. (DER STANDARD, Print, 23.2.2006)