Drastische Fotos von verstörender, fast surrealer Schönheit: Pieter Hugo, der in seiner Serie "Monwabisi Mtana" AIDS-Tote zeigt, nimmt in der Ausstellung eine der exzentrischsten Positionen ein.

Foto: Hugo, Michael Stevenson Gallery
Wien – Die Fotokamera als Maschinengewehr: Eine ganze Generation politischer Frontline-Fotografen in Südafrika wusste ihr Medium als Waffe im Kampf gegen Apartheid derart einzusetzen. Zu den wenigen Fotografen, die sich dieser Praxis verweigerten und Realitäten von Schwarz und Weiß nicht als ereignisbezogene Dokumentarform für die Zeitungen einfing, zählt David Goldblatt. Er verwendete die Kamera mehr als Seziergerät und bleibt dennoch Dokumentarist. Goldblatt, Jahrgang 1930, bildet die historische Konstante in der am Freitag startenden Ausstellung Black, Brown, White, die Fotografie aus Südafrika (Sechzigerjahre bis Gegenwart) zeigt.

Das Farbspiel des Titels verweist nicht nur auf die Fotografie und ihre Zwischentöne, sondern lehnt sich auch an Black, Brown and Beige, das 1943 uraufgeführte Orchesterstück des amerikanischen Jazz-Komponisten Duke Ellington, an. Ellington wollte damit die "tönende Parallele zur Geschichte des amerikanischen Negers" aufzeichnen.

Kaleidoskopartige Komposition

Die Kuratoren Thomas Mießgang und die indischstämmige Südafrikanerin Jyoti Mistry versuchen sich glücklicherweise gar nicht erst an einer Geschichte Südafrikas. Mit vornehmlich schwarz-weißen Einzeltönen sechs unterschiedlicher Fotografen und zweier Videokünstler werden dokumentarisch akzentuierte Bilder des Alltags zu einer kaleidoskopartigen Komposition gereiht. Visuelle Klischees und massenmedial ikonisierte Bilder zum Thema Rassenkonflikt wollen vermieden, Motive aus der Postapartheidepoche – AIDS, Identität, Erinnerung, Vergessen – skizziert werden.

Etwas irritierend daher die großformatigen Porträts Pieter Hugos, der in der Benetton- Ecke von Oliviero Toscani anzusiedeln ist: Weiche Decken umschmeicheln die geschminkten, aber durch Krankheit ausgemergelten Gesichter der luxuriös aufgebahrten AIDS-Toten.

Hugo negiert den Impuls des Wegschauens, dem auch Zwelethu Mthethwa bewusst entgegensteuert und Slumbehausungen vor seine Linse rückt. Fast theatralisch inszeniert der Fotograf und Maler Mthethwa deren Bewohner inmitten ihres persönlichen Hütten-Stylings – entscheidend dabei: Nicht das Elend prägt den Charakter seiner Aufnahmen, sondern Würde, Kreativität und Selbstbewusstsein der Darsteller.

Eigene Identität

"Um meine eigene Identität zu verwirklichen, musste ich mir zuerst bewusst machen, dass sie auf ,Mythen‘ und ,Halbwahrheiten‘ aufgebaut ist", sagt Thando Mama, der mit 29 Jahren genau jene Generation repräsentiert, die ihre Identität auf den Schatten der Vergangenheit aufbauen muss. Seine Videoinstallation zeigt die TV-Bilder der US- Bombardements im Irak als Lichtreflexionen auf einem zu verschwinden scheinenden, stummen Gesicht eines schwarzen Mannes. Einzig die Worte "We are afraid", die sich aus einem Stimmengewirr herauskristallisieren, kommentieren das Bild. Traumatisierte treffen auf neue, medial inszenierte Bilder von Gewalt.

In die Vergangenheit, auf die Pfade ihrer Kindheit, begibt sich Warren Siebriets mit einer billigen Wegwerfkamera. Die fotografischen Spuren, die sie unterwegs wie Indizien aufliest, verdichten sich in der Serie Nadir zu einem Selbstporträt. Das Gegenteil, das Fehlen jeglicher Spuren und Erinnerungen, das Auseinanderbrechen familiärer Zusammenhalte und Geschichten, vergegenwärtigt Berni Searles in der Videoinstallation About to forget. Auf rotes Krepppapier gedruckte Familienfotos, lösen sich im Wasser in Fetzen auf. Die Flüssigkeit verfärbt sich in Töne zwischen Dunkelrot und Orange.

Der fotografische Südafrika- Fokus der Kunsthalle erhält seine Farbschattierungen durch weitere Themenschwerpunkte im Filmmuseum, im Schauspielhaus und bei Literatur im März. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.2.2006)