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Auch der Aufstieg auf eigenen Fellen wird teuer.

apa/dpa/Rolf Haid
Es ist schon stockdunkel, und über den Zielhang der Patscherkofel-Abfahrt bewegt sich eine Lichterkette von Stirnlampen nach oben. Sie gehören Skitourengehern, die nach Büroschluss aufgebrochen sind und sich jetzt auf der Piste in rhythmischem Eilschritt nach oben bewegen, auf Tourenskiern mit Tourenbindung und Steigfellen.

In einer guten Stunde werden sie die Bergstation erreicht haben, die verschwitzten Leibchen gegen trockene tauschen, die Felle von den Skiern reißen, die Bindung auf Abfahrt stellen und beim Schein ihrer Stirnleuchten ins Tal carven - vorbei an den Ratracs, welche die Abfahrt für den nächsten Skitag bügeln.

Nicht viel mehr als zwei Stunden, nachdem sie das Büro verlassen haben, sitzen sie in der Sauna und analysieren die Formkurve. Letztes Jahr um diese Zeit haben sie den Aufstieg schon in weniger als einer Stunde geschafft. Der Zaungast, der für die fast 1000 Meter Höhenunterschied noch noch nie weniger als zwei Stunden gebraucht hat, schweigt angesichts solcher Rekorde ehrfürchtig.

Seit zwanzig Jahren

Es begann vor etwa zwanzig Jahren, dass Skipisten auch für Aufstiege genutzt wurden. Einer in den letzten Jahren rasch wachsenden Zahl von Skitourengehern wurden sie ein willkommenes Trainingsgelände, um für Wochenendtouren im freien Gelände in Form zu kommen.

Das künstliche Beschneien der Liftabfahrten sorgte dafür, dass diese Trainingsstrecken schon im Frühwinter und noch weit ins Frühjahr hinein (wenn Touren sonst nur mehr über 2000 Metern möglich sind) zur Verfügung stehen. Die Patscherkofel-Abfahrt beispielsweise glänzt auch dann noch als weißes Band ins Tal, wenn ein paar hundert Meter weiter längst die Golfer ihre Schläger durch Krokusse schleppen. Kein Wunder also, dass an sonnigen März-Nachmittagen nach Arbeitsschluss nicht dutzende, sondern hunderte von Bewegungshungrigen die Abfahrt hinauftigern - zu einer Tageszeit, während deren im unpräparierten Gelände der Frühjahrsfirn längst uferlos patzig ist.

Ein zusätzlicher Faktor für die Attraktivität des Pistentourens ist die Lawinensicherheit der Aufstiege/Abfahrten. Wann immer Warnstufe 4 die Bewegung im Tiefschnee nicht ratsam erscheinen lässt, ist die Piste eine willkommene Alternative.

Rapide Zunahme

Die rapide Zunahme der Pistengeher geht nicht reibungslos vor sich. Tageskartenbesitzer fühlten sich von einigen die Pisten allzu unbekümmert querenden "Konditionsjunkies" in ihrem Carvingtempo gestört, Familien mit Kindern beschweren sich über frei laufende Hunde. Trotzdem schien ein Zusammenleben möglich. Am Patscherkofel bemühte man sich letztes Jahr um Regeln: Keine frei laufenden Hunde, Aufsteiger sollen am Rand der Piste bleiben, Abfahrer müssen auf "Gegenverkehr" gefasst sein.

Es geht aber noch um etwas anderes, nämlich um Geld. Auf der Gerlitzen in Kärnten heben die Liftbetreiber seit diesem Winter von jedem Tourengeher fünf Euro ein, "weil sie Pisten, Parkplätze und Klos mitbenutzen", lautet die Begründung - was auch Tiroler Begehrlichkeiten weckte.

Ingo Karl, oberster Seilbahner des Landes, dachte laut über stolze 15 Euro Pisten-Benützungsgebühr nach und beherrschte damit die Stammtischgespräche der Tiroler Skitourenfreunde. Der "Tiroler Tageszeitung" war das Thema einen Blattaufmacher wert, in dem von Alpenverein und Naturfreunden bis selbst zu den Betreibern vieler Liftanlagen Stimmen wie "Schnapsidee", "Abzockerei" und "rechtlich gar nicht möglich" zitiert werden.

Wasser auf die Mühlen

Manche Seilbahnchefs wie jener der Lienzer Bergbahnen können sich freilich durchaus vorstellen, ab nächster Saison die Tourengeher zur Kasse zu bitten. Inzwischen gibt es einen Fall, der Wasser auf die Mühlen der Gebührenbefürworter gießt. Auch vor den naturliebenden Tourengehern macht offensichtlich eine Vollkaskomentalität nicht Halt.

Am Patscherkofel übersah ein nächtlicher Abfahrer das Sicherungsseil eine Pistenraupe, zog sich einen Schlüsselbeinbruch zu und klagte die Bahn auf 6500 Euro Schmerzensgeld. Nicht ganz unverständlich, dass daraufhin die Patscherkofelbahn - ebenso wie auch Salzburger Skigebietsbetreiber - die Benutzung der Piste nach Betriebsschluss untersagten. Rechtsansichten stehen gegeneinander. Robert Renzler, Generalsekretär des Alpenvereins, findet es hart, dass wegen eines einzigen Klägers ein generelles Verbot verhängt wird. Er argumentiert, dass 90 Prozent der Pisten als Wald ausgewiesen seien, für den laut Forstgesetz die "freie Begehbarkeit für Erholungszwecke" gelte.

Die Gegenseite wiederum erklärt, Pisten seien Rodungsgebiet, für das das Forstgesetz nicht gelte. Jetzt soll eine Einigung in Form eines Regelwerks zustande kommen, wie es auch für Mountainbiker zur allgemeinen Zufriedenheit gefunden wurde. Die Konditionsjunkies dürfen hoffen. (Der Standard/rondo/17/2/2006)