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Siemens kann zwischen zwei Anbietern wählen.

Foto: Reuters/Bader
Wien - Nach Monaten des Sammelns und Sichtens von Angeboten, des zähen Verhandelns mit Kaufinteressenten für die VA-Tech-Kraftwerkssparte Hydro, hat Siemens Glück: Der Elektromulti kann sogar zwischen zwei Anbietern wählen und ist nicht einem einzigen ausgeliefert, der den Preis diktieren kann.

Das ist derzeit vermutlich das einzig Erfreuliche an dem - zumindest was den Wasserkraftwerksbau betrifft - von der EU verordneten Verkauf. Der Rest dürfte mehr Qual als Wahl sein: Sowohl "Enercomp", wie die von Cross Industries, UIAG und Porr geschmiedete "Projektgesellschaft für Anlagenvermarktung, Engineering und Services" rund um KTM-Eigner Stefan Pierer und den steirischen Ex-Landesrat Herbert Paierl heißt, als auch der Grazer Maschinenbauer Andritz haben eine Reihe von Vor-und Nachteilen für den Verkäufer. Mit welchem der beiden Siemens auch finale Exklusivverhandlungen aufnimmt: Fix ist damit noch nichts. Denn bleiben diese Verhandlungen überraschenderweise doch unergiebig, bleibt der Zweite im Stand-by-Modus verfügbar.

Angebote nahe beieinander

Das große Hauen und Stechen um den besseren Preis dürfte deshalb nicht allein selig machend sein, denn die Montagnacht abgegebenen Angebote liegen nicht nur nah beieinander, Siemens verdient dabei auch keine Reichtümer. Keiner will mehr als das Sechsfache des operativen Ergebnisses (Ebit) des letzten VA-Tech-Geschäftsjahres vor Beginn der Siemens-Zeitrechnung zahlen: 162 Millionen Euro - und damit exakt jene Größenordnung die Anlagenbaufachleute zu Beginn des Verkaufsprozesses als "guten Erlös" bezeichnet hatten.

Dem Vernehmen nach bietet Enercomp etwas weniger als die börsennotierte Andritz, soll dafür aber bereits Bereitschaft zur Nachbesserung signalisiert haben - um bis zu 60 Millionen Euro. Was Andritz maximal zu zahlen bereit sei, werde man auf jeden Fall auf den Tisch blättern. Bei diesem Spiel dürfte Enercomp die besseren Karten haben, sie muss nicht auf Aktionäre Rücksicht nehmen und kann auch nicht über den einen Kurssturz abgestraft werden.

Andritz wieder muss Siemens strategisch eher das Hemd denn der Rock sein, ließe sich mit dem Maschinenbauer doch zugleich der Europavertrieb des Rivalen General Electric (GE) schwächen, den VA Tech Hydro seit Jahren erfolgreich darstellt, und den Enercomp mit GE erklärtermaßen fortsetzen will.

Hydro als Ganzes

Wäre da nicht die Hydro-Belegschaft, die sich auf ein Versprechen des Siemens-Konzerns beruft, wonach Hydro nur als Ganzes (also mit dem kalorischen Kraftwerksbau Combined Cycle und mit der Generatorenfertigung für GE) verkauft wird, und auch nur an den, der mit GE die Auslastung der Produktion in Weiz sicher stellt. "Wir nehmen Siemens beim Wort", betont Betriebsratschef Siegfried Tromaier beinahe täglich.

Zumindest eine weitere Unbekannte enthält die Gleichung noch: Andritz will zwar die ganze Hydro kaufen, hat aber bereits vor einem Jahr durchblicken lassen, dass sie nur am Wassergeschäft Sulzer/Escher-Wyss interessiert ist, nicht aber am Gaskombi-Geschäft. Das braucht hohe Haftungen und Garantien, außerdem gibt es im Stahlbausektor Überlappungen mit Hydro. Wohl auch deshalb soll das Andritz-Offert bereits Restrukturierungsaufwendungen in Höhe von 25 Millionen Euro enthalten. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2006)