Göttingen - Forschern des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation ist es erstmals gelungen, die Ausbreitung von Teilchen in starken Turbulenzen - vergleichbar mit ein der Position einzelner Schneeflocken in einem Schneesturm - zu untersuchen. Zusammen mit Kollegen aus Frankreich, Dänemark und den USA fanden die Göttinger Wissenschaftler heraus, dass sich die Teilchen anders und langsamer auseinander bewegen als bisher angenommen.

Altes Rätsel gelöst

Mit ihrer Studie haben die Forscher ein altes wissenschaftliches Rätsel gelöst. Die Ergebnisse können dazu beitragen, die Ausbreitung von Chemikalien und biologischen Substanzen in der Luft zu berechnen und das Mischen von Stoffen in der Industrie zu verbessern. "Die Turbulenzforschung geht jetzt erst richtig los", meint Eberhard Bodenschatz, Leiter des Forschungsteams.

Seit über 80 Jahren versuchen Wissenschaftler bereits, das System hinter den Verwirbelungen von Teilchen zu entschlüsseln. "Erst die neuartige Technik macht die Untersuchung von Turbulenzen möglich", berichtet Bodenschatz. Mit einem Teilchenverfolgungssystem aus drei Hochgeschwindigkeitskameras, einem sehr hellen Laser und einem 32-Prozessor-Computersystem schaffte das Team von Bodenschatz, die Bewegungen der Teilchen zu messen.

Wirbelnde Kügelchen, von Kameras verfolgt

Dazu gaben sie 25 Mikrometer kleine Kugeln aus Polystyrol in einen Wassertank. Während die Kugeln verwirbelt wurden, registrierten die Kameras aus drei verschiedenen Perspektiven 25.000 Mal pro Sekunde den Abstand der Teilchen zueinander. Diese Messung ist vergleichbar mit der Verfolgung zweier Schneeflocken in einem Blizzard. Die Zuordnung der Teilchen auf den Einzelbildern übernahm eine eigens entwickelte Software.

Turbulenzen entstehen, wenn Flüssigkeiten oder Gase schnell bewegt werden. Das Umrühren der Milch im Kaffee löst bereits eine Turbulenz aus, aber auch im Verbrennungsmotor und in der Sonne finden sich Verwirbelungen von Flüssigkeiten oder Teilchen. "Die räumliche Ausbreitung von Giften, die zum Beispiel bei Bränden und Giftgasunfällen auftreten, wird vom Wind und insbesondere von der Turbulenz im Wind bestimmt", erklärt Bodenschatz. "Wichtig ist es, optimale Methoden zu entwickeln, die es zum Beispiel Robotern erlauben, im dichten Nebel nach der Feuerstelle oder Giftquelle zu suchen. Unsere Ergebnisse können den Ingenieuren helfen, bessere Modelle zu entwickeln."

Zwei gegensätzliche Theorien

Bisher gab es zwei unterschiedliche Theorien zur Teilchenverwirbelung. Nach dem sogenannten "Richardson-Obukhov-Gesetz" von 1920 ist der Anfangsabstand der Teilchen nicht von Bedeutung. In den 1950er-Jahren stellte George Batchelor eine andere Ausbreitungsformel auf, die den anfänglichen Abstand der Teilchen berücksichtigt. Die Göttinger Forscher konnten die Aussagen von Batchelor bestätigen. Der Anfangsbestand der Teilchen scheint also für fast alle turbulenten Strömungen der Erde wichtig zu sein.

Nächstes Ziel der Forscher ist es, die Bewegungen der Teilchen bei wilderen Strömungen und von Teilchen mit unterschiedlicher Dichte zu untersuchen. "Das jetzige Experiment ist vergleichbar mit einem Sturm im Suppentopf", berichtet Bodenschatz. "In Zukunft werden wir mit einem Hochturbulenz-Windkanal arbeiten." Der Göttinger Windkanal wird voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres in Betrieb gehen. (pte/red)