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STANDARD: Werbeverbote und EU sind seit Jahren ein Dauerbrenner. Aber derzeit scheint die Kommission friedlicher: Die für Medien zuständige Kommissarin Viviane Reding versprach im Herbst: keine neuen Werbeverbote.

Kollmann: Es gab schon Phasen, in denen das Thema in Brüssel virulenter war. Mein Eindruck ist allerdings: Das hängt stark von konkreten Anlässen ab.

STANDARD: Was stört denn so an Werbeverboten?

Kollmann: Werbeverbot ist der erste Schritt zum weiterführenden Kommunikationsverbot. Generelle Verbote sind ganz sensibel zu behandeln, bei aller Schutzwürdigkeit von Konsumenten.

STANDARD: Was tut man dagegen?

Kollmann: Sich laufend bei Entscheidungsträgern engagieren - nicht erst, wenn die politische Diskussion schon angelaufen ist. Weil dann ist die Manövrierfähigkeit vieler Politiker schon sehr eingeschränkt.

Aus Österreich kommt generell zu wenig Lobbying

STANDARD: Haben Sie den Eindruck, dass da zu wenig Lobbying betrieben wird? Mir scheint, dass gerade betroffene Branchen - siehe Alkoholwerbung etwa - sogar sehr dahinter sind. Beim Tabak war man allerdings nicht ganz so erfolgreich damit.

Kollmann: Ich kann nur den Befund unserer Kollegen in Brüssel wiedergeben: Aus Österreich kommt generell zu wenig Lobbying, zu wenig Bemühen, im Entscheidungsvorfeld mitzureden - wir haben diese Disziplin offenbar noch nicht wirklich erlernt. Österreichische Unternehmen vertrauen noch sehr auf diese alte sozialpartnerschaftliche Kultur: Meine Interessenvertretung wird sich schon kümmern. Dieses Prinzip funktioniert aber in Brüssel nicht. Und so nehmen sich die Unternehmen Chancen.

STANDARD: Softdrinkhersteller wie Pepsi versuchen gerade, Verboten der EU zuvorzukommen: Sie bieten an, auf Werbung für Kinder unter zwölf Jahren zu verzichten.

Kollmann: Wenn die Industrie den sensiblen Bereich selbst erkennt - Kinder sind ja leicht verführbar - und wenn die Gesellschaft ein höheres Schutzbedürfnis sieht, dann sind Regulierungen schon absehbar. Dann besser gleich in die Offensive, auch im Sinne der eigenen Imagebildung. Es ist nicht weit von den Fragen "Warum so viele übergewichtige Kinder?", "Müssen schon Zwölfjährige Diabetes haben?" hin zur Ernährung und den Softdrinks. Wenn ich in Brüssel Themenmanagement betreibe, kann ich frühzeitig absehen, was da auf mich zukommt.

STANDARD: In dieser Serie geht es um Expertise und PR kann mehr. Was qualifiziert Sie für das Thema Werbeverbote?

Kollmann: Wir haben eine Partneragentur in Brüssel im Rahmen unseres ECCO-Netzwerkes, mit der wir intensiv zusammenarbeiten. Was unsere Agenturkunden betrifft, versuchen wir Entwicklungen so früh wie möglich zu erkennen und auf Beamten- und Expertenebene mitzugestalten. Wenn das Thema bei den Politikern landet, ist es meistens schon zu spät. Wir sind aber immer wieder erstaunt, wie wenige in Österreich diese Prozesse aktiv beobachten. Deutsche Unternehmen handhaben das um ein Vielfaches professioneller. Wir sind oder tun immer ganz überrascht, was die EU so entscheidet - denken wir an Transit oder Studienzugang. Das gilt oft auch für heimische Unternehmen. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2006)