Blumen am Kopf, Sonne im Herzen: Irene Coticchio als Carmen Miranda.

Foto: Smidt
Wien - Die Gruppe toxic dreams betreibt mit ihrem jüngsten Bühnenwerk - "De Lady in de Tutti Frutti Hat" - vordergründig künstlerisches Understatement: Zerlegt man die dem Aufstieg des brasilianischen Hollywoodstars Carmen Miranda (1909-1945) gewidmete Show in ihre Einzelteile, steht man am Ende vor einem reinen Musical.

Regisseur Yosi Wanunu behielt die Ikone des Tropikalismus bruchlos in dem ihr angestammten Kontext von exotischen Nachtclubs und Chanchada. Lässt aber die Ränder des Gemachtseins sichtbar. Das beginnt bei der von unzähligen Requisiten (z.B. eine Giraffe auf Rädern) umstellten Bühne und endet nicht zuletzt beim detailliert zur Schau gestellten Wechseln der großen Rüschenroben (Kostüme: Lena Kvadrat).

Die Oberfläche dieser fantasmagorischen Show trägt die Tragik der Verfremdung (zur brasilianischen Exportmarke) also unmittelbar in sich. Nicht nur die Montage und Demontage der Figur, auch die von "Atmosphären" wird im Ausrinnen von Szenen offen gelegt.

Hunderte Klettverschlüsse werden an diesem Premierenabend im dietheater Künstlerhaus aufgerissen, um mit neuen exotischen Accessoires wieder neu aneinander gedrückt zu werden. Kreppblumen, Cocktailgläser und einmal eine meterhohe Obstpyramide werden der Dame zur Komplettierung des jeweiligen gigantischen Bahiana-Outfits an den Kopf gestöpselt.

Während der Ankleideszenen plaudert Carmen Miranda (schlicht perfekt: Irene Coticchio) in künstlich gebrochenem Englisch ins historische Mikrofon: "It was a biiiiiig hiiiiiit."

Originalmusik aus den Filmen (u.a. "The Gang's All Here" von Busby Berkeley) steuert The Lonesome Andy Haller Band bei (ein Mann im weißen Anzug und Ukulele). Die Bananenpsychedelik der Leinwand, die sich kunstvoll mittels dreier Background-Girls auf der Bühne fortsetzt, hat Michael Strohmann gestaltet. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.2.2006)