Es war im Autobus. In einem „besseren“ Bezirk. Der Bus war zu einem Drittel gefüllt, fuhr an einer Haltestelle vor und die pummelige und halbverschleierte Frau im schwarzen Gewand schob ihren Kinderwagen zur Mitteltür. Ein zweites Kind trottete ein bisserl mürrisch hinterher.
Fahnenanzünder
Der Busfahrer ließ den Bus in die Knie gehen und die Muslimin schob den Buggy herein. Oder: Wollte ihn in den Bus schieben. Denn plötzlich stand da ein Mann in der Tür, stemmte die Arme in die Hüften und stellte einen Fuß auf die Fußraste des Kinderwagens. Dann zischte er die Frau an: „Solange unsere Fahne brennt, kommst du hier nicht rein.“
Ich war sprachlos. Und allem Anschein nach nicht nur ich: Die Frau schien gar nicht mit zu bekommen, was der völlig durchschnittlich wirkende Mann von ihr wollte, fragte, mit leichtem Akzent, „Fahrschein?“ – und begann an ihrer Tasche herumzunesteln. „Nix Fahrschein“, fauchte der Mann, „du nicht mitfahren. Weil Muezzin Österreichfahne verbrannt. Nix Moslems in Bus. Jetzt raus!“
Drehgriff
Die Frau machte Anstalten, den Kinderwagen aus der Tür zu ziehen. Aber da faltete der Lodenmantelmann seine Zeitung zusammen, legte sie auf den nächsten Sitzplatz, stand auf und schob sich („Sie gestatten?“) an mir vorbei. Dann drehte er dem Türblockierer in einer sehr schnellen, sehr unauffälligen und sehr schmerzhaften Bewegung das Handgelenk um und schob ihn aus dem Wagen: „Tut mir leid, aber ich kann unmöglich mit Menschen wie ihnen im selben Bus sitzen“ sagte er, verdrehte dem Überrumpelten das Gelenk noch ein bisserl weiter und schloß lächelnd: „Nehmen sie das ruhig persönlich.“
Danach hob er – mehr eine Geste – den Kinderwagen über den Spalt zwischen Bus und Gehsteig: „Ich muss mich für meinen Landsmann entschuldigen.“ Dann setzte er sich und schlug die Presse wieder auf. Das ging so schnell und unauffällig, dass weder der Busfahrer noch die nur etwas weiter weg sitzenden Fahrgäste etwas mitbekommen hatten: Für sie hatte da ein Mann einer Frau geholfen, den Wagen in den Bus zu heben – und ein Fahrgast war beim Aussteigen ein bisserl blöd im Weg herumgestanden.