Die Tiroler Ärztekammer verlangt konkrete Maßnahmen gegen Luftschadstoffe und legt ein Forderungspaket auf den Tisch. Der Wirtschaftslandesrat sorgt sich zeitgleich um die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes.
***

Innsbruck – "Mehr als 100 Todesfälle sind in Österreich jährlich ausschließlich auf die erhöhte Feinstaubbelastung zurückzuführen und drei Prozent der Gesamtsterblichkeit hängen damit zusammen", sagt Christian Prior, Obmann der Lungenfachärzte in der Tiroler Ärztekammer.

Dabei geht es nicht nur um Atemwegerkrankungen. Denn die kleinsten, bis in die Lungenbläschen vordringenden Staubpartikel werden dort absorbiert, erläutert Prior. Das wiederum führt zur Bildung von Entzündungsbotenstoffen, die beim Erreichen der Herzgefäße tödliche Wirkung entfalten können. Es bestünde kein Zweifel, dass Menschen die in Städten leben ein höheres Lungenkrebsrisiko haben. Auch bei Allergikern wird der Dieselmotor für Verschlechterungen verantwortlich gemacht, weil die Feinstaubanlagerung an der Oberfläche der Pollen die allergene Wirkung verstärke, betont Prior.

Wer mit dem Rad in feinstaubbelasteten Gebieten unterwegs ist, gehe kein erhöhtes Risiko ein, beruhigt Prior: Die schnellere Atmung gibt den Partikeln weniger Möglichkeit sich anzulagern.

Heinz Fuchsig, Umweltreferent der Ärztekammer, verlangt alle Tiroler Lkw mit Rußpartikelfiltern nachzurüsten. Bei 5800 betroffenen Fahrzeugen und einer EU-konformen 30-prozentigen Förderung würden die Kosten für die öffentliche Hand bei 16 Millionen Euro liegen – ein Viertel Gesundheitsfolgekosten.

Differenziert beurteilt Fuchsig die Entwicklung der Lkw- Technologie. Die künftige Euro 5-Generation bringe deutliche Fortschritte bei den Stickoxiden, aber nichts bei den Feinstäuben. Bei Volllast (also etwa auf Bergstrecken) schneiden die Euro 5-Motoren vor allem bei den feinsten Stäuben sogar schlechter ab, als die derzeit gängigen Euro 3. Auch bei Euro 5 werden Rußpartikelfilter bei der Auslieferung der Fahrzeuge nicht verpflichtend vorgeschrieben sein.

Unterstützt wird von der Ärztekammer der Vorschlag des neuen Verkehrslandesrates Hans Lindenberger (SP) Tempo 100 auf der gesamten Inntalautobahn zu verordnen. Allerdings nicht nur wie von Lindenberger angedacht im nächsten Winter, sondern ganzjährig, sobald Annäherungen an die Grenzwerte bei Stickoxiden und Ozon geschehen. Dazu müssten nur die bereits vorhandenen Verkehrsleiteinrichtungen eingesetzt werden, betont Fuchsig.

Sorge um Standort

Fast zeitgleich hat sich im Landtag der neue Wirtschaftslandesrat Hannes Bodner (VP) gegen den "für Tirol katastrophalen" Entwurf zur Gewerberechtsnovelle gewandt. Diese sieht Schadstoffgrenzen vor, bei deren Erreichen Betriebserweiterungen und -an^siedlungen nicht mehr zulässig wären. "Das ist für uns inakzeptabel", betont Bodner. Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung etwa beim Verkehr blieben in Bodners Erklärung unerwähnt. (Hannes Schlosser, DER STANDARD Printausgabe 9.2.2006)