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Ein Haitianer vor Wahlplakaten in Port-au-Prince.

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Ex-Präsident (1996 - 2001) Rene Preval gilt auch heute als Favorit.

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Der Unternehmer Charles Baker tritt mit einem Law-and- Order-Programm auf.

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Erstmals seit dem Sturz von Staatschef Aristide 2004 wurden am Dienstag Wahlen in dem verarmten Karibikstaat abgehalten. 32 Personen kandidierten für das Präsidentenamt, 1300 wollen ins Parlament. In einem Klima der Gewalt versucht die UNO, die Sicherheit aufrechtzuerhalten.

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Sein Wahlkampfzentrum in Port-au-Prince hat Charles Henri Baker mit hohen Mauern und Stacheldraht abgesichert. Auf dem Dach lugen zwei Scharfschützen hinter Sandsäcken vor. Wahlkampf in Haiti ist eine Fortsetzung des Bandenkriegs. Daran hat die UN-Mission (Minustah) auch nicht viel geändert. "Es gibt Stadtviertel in Port-au-Prince, in denen meine Wahlhelfer nicht mal Plakate kleben können", erzählt der vorwiegend in den USA lebende, hellhäutige Unternehmer.

Haiti müsse man vom Kopf auf die Beine stellen, sagt Baker und hat deshalb die Landesflagge über dem Schreibtisch verkehrt herum aufgehängt. Der 51-Jährige ist überzeugt, dass er die Präsidentschaftswahlen am Dienstag gewinnen wird und beruft sich auf eine Internetumfrage. Verlässliche Erhebungen gibt es nicht. Als Favorit gilt der Ex-Präsident und Ziehsohn des vor zwei Jahren gestürzten Ex-Präsidenten Jean-Bertrand Aristide, René Préval.

Lösegeld für Wahlen

Dessen Lavalas-Partei tritt mit "nur" zwei Kandidaten auf, während die Aristide-Gegner mehr als zwei Dutzend aufbieten. Nur selten traten die Kandidaten in der Öffentlichkeit auf. Lieber ließen sie Laternenpfosten und Mauern mit ihren Konterfeis zukleben oder beschimpften sich per Radio. Einige hetzten auch ihre Schlägerbanden aufeinander oder ließen betuchte Haitianer und Ausländer entführen, um mit dem Lösegeld den Wahlkampf zu finanzieren.

"Die Waffen, nein, die können wir nicht abgeben, die brauchen wir für die Wahl." Diesen Spruch kennt Daniel Ladouceur vom UN-Entwaffnungsprogramm nur zu gut. Die Minustah wird heute alle ihre 9000 Soldaten und Polizisten zum Schutz der Lokale und Wähler aufbieten. Für die UNO ist es die dritte Mission in 15 Jahren in Haiti. Die von der EU, Kanada und den USA finanzierte Wahl könnte zum Fiasko zu werden.

Wahltermin viermal verschoben

Allein viermal musste der Wahltermin verschoben werden - weil Lavalas die Vorbereitungen boykottierte, weil sich die Wähler nur zögernd in die Register einschrieben, weil die Wahlausweise nicht fertig waren, weil es zu viel Gewalt gab, weil sich der Wahlrat nicht einig wurde, weil die UNO es nicht schaffte, ihr Hightechmaterial über Berge und Schotterpisten bis in die entlegensten Dörfer zu bringen. Von zehn Millionen Haitianer haben sich nun nur 3,5 Millionen in die Wahlregister geschrieben, obwohl es als Belohnung dafür eine Art Personalausweis gab.

"Das Problem der Wahl werden die Verlierer sein", sagte der inzwischen verstorbene Minustah-Oberbefehlshaber Urano de Bacellar: Für die Politikerclans ist der Staat ein Beuteobjekt, und wenn er nicht in den Urnen erobert werden kann, dann eben mit Waffengewalt. Viele Haitianer vermuten, dass Interims-Regierungschefs Gerard Latortue das Chaos schürt, um länger im Amt und an den Fleischtöpfen bleiben zu können. "Uns fehlt demokratisches Bewusstsein", sagt der Radiokommentator Richard Widmaier. Und das kann man der Mehrheit der Haitianer nicht einmal übel nehmen. Rund 80 Prozent leben unter der Armutsgrenze, knapp die Hälfte sind Analphabeten. Ein Diplomat sagt: "Wenn dieser letzte Demokratisierungsversuch auch noch scheitert, dann bleibt für Haiti nur noch ein Protektorat." (DER STANDARD, Printausgabe 7.2.2006)