Ilka Schröder war von 1999-2004 Mitglied im Europäischen Parlament. Zur Zeit unterrichte sie an der Georgetown University in Washington DC Politikwissenschaften. Der Kurs behandelt Antisemitismus und Antiamerikanismus.

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derStandard.at: In Ihrer Zeit als EU-Parlamentarierin haben Sie EU- Förderungen an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wiederholt vehement kritisiert. Wofür wurden die EU-Fördergelder Ihren Informationen zufolge verwendet?

Schröder: Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden internationale Hilfsgelder an die PA, darunter auch solche der EU, sowohl für Korruption verwendet, als auch für die Finanzierung von antisemitischen Terroranschlägen auf Israel.

Ich sage, aller Wahrscheinlichkeit nach, weil es sich schwerlich beweisen lässt, das hat die Sache der schwarzen Kassen nun mal an sich. Aber es gibt einige Hinweise: Die Anzahl der PA-Angestellten war in Realität kleiner als die Zahl, die die Behörde angab. Der Wechselkurs, zu dem die Gehälter ausgezahlt wurden, war auf dem Papier ein anderer als in Realität.

Das heißt, die PA schaffte sich Möglichkeiten, Geld, das sie nach eigenen Angaben bereits ausgegeben hatte, auf die Seite zu legen. Wieviel davon für Korruption draufging und wie viel für Waffenkäufe und kriegerische Logistik, ist schwer zu sagen. Aber angesichts der Tatsache, dass täglich über den offiziellen Sender der PA antisemitische Popaganda verbreitet wird und Predigen über Israel als dem Krebsgeschwür unter den Staaten von der PA ebenfalls finanziert werden, wäre es höchst erstaunlich, flösse da kein einziger Euro rein.

derStandard.at: Hat die Hamas schon bisher davon profitiert?

Schröder: Ob Gelder aus den EU-Töpfen auch an die Hamas geflossen sind, weiß ich nicht. Man kann aber davon ausgehen, dass auch genügend Hamas-Aktivisten auf den Mitarbeiterlisten der PA stehen und darüber alimentiert werden. Finanziell dürften die Al-Aksa-Brigaden mehr profitiert haben, die der ehemaligen Regierungspartei Fatah nahe stehen.

Wichtiger aber ist, dass Arafat mit der Intifada den Krieg gegen Israel zum Regierungsprogramm erklärt hat. Und davon hat auch die Hamas profitiert. Sie kann sich darauf konzentrieren, regelmäßig zu zeigen, dass sie Israel am besten bekämpft - und das ist in weiten Teilen der palästinensischen Bevölkerung als Ziel gesetzt.

derStandard.at: Sie sind mit ihrer Forderung nach einer parlamentarischen Untersuchungskommission gescheitert, die von Israel vorgelegte Beweise überprüfen sollte, wonach die EU indirekt Terroranschläge mitfinanziere. Welche Länder haben die Einsetzung dieser Kommission bekämpft und was waren Ihrer Meinung nach die Motive dafür?

Schröder: Der Widerstand gegen den vorgeschlagenen Untersuchungsausschuss beschränkte sich nicht auf einzelne Staaten, vielmehr war es eine breite Mehrheit der Abgeordneten, die sich die palästinensischen Ausgaben nicht näher untersuchen wollte. Der damals zuständige EU- Außenkommissar Christopher Patten machte es ganz deutlich: Er könne diese Untersuchung so gut gebrauchen wie ein Loch in seinem Kopf. Da stellt sich in der Tat die Frage, warum das genaue Unter-die-Lupe-nehmen sich allzu schädlich für die EU auswirken könnte.

derStandard.at: Die EU hat Förderungen an die Palästinenser damit begründet, dass Israel seine Zahlungen eingestellt hätte und man deshalb einspringen müsse.

Schröder: Israel hatte Zolleinnahmen, die es normalerweise an die PA weiterleitet, mit der Begründung zurückbehalten, dass diese Gelder für die Intifada eingesetzt werden könnten. Die EU agierte umgehend: Nicht etwa mit einer Untersuchung, ob auch von EU-Geldern Sprengstoffgürtel gekauft würden, sondern mit einer Pauschalsumme von erst 90 Millionen Euro, später von 10 Millionen Euro monatlich.

Diese hatten den Zweck, die PA und damit ab dem Jahr 2000 auch den Krieg gegen Israel am Laufen zu halten. Und es half, von den USA geleitete Friedensbemühungen zu torpedieren. Im Klartext: die Palästinensische Autonomiebehörde führt Krieg gegen Israel und die EU finanziert ihn mit.

derStandard.at: Warum sollte die EU das wollen?

Schröder: Die EU will der Weltmacht USA deren Grenzen aufzeigen, ihnen die Zuständigkeit für Ordnungsmacht über Konflikte abringen. Und das läuft nach der Kalkulation von Staaten für die EU ganz erfolgreich. Die USA haben den Konflikt noch nicht "gelöst", womit sie sich nach europäischer Lesart als unfähig erwiesen haben und nun nur noch die EU als "neutraler, glaubwürdiger Vermittler" auftreten kann.

derStandard.at: Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF hat vergangenes Jahr einen Bericht vorgelegt, wonach es keine "schlüssigen Beweise" dafür gebe, dass die EU-Gelder für Anschläge verwendet würden. Ihre Meinung zu diesem Bericht?

Schröder: Olaf verfolgte damit dieselbe Argumentation wie die meisten meiner Ex-Kollegen, besagter Kommissar und ähnliche Stellen in Brüssel. Solange man nicht nachweisen könne, dass eine bestimmte Euromünze, die aus Brüssel aufs Konto der PA überwiesen wurde, dann auch wirklich in der Kasse des Sprengstoffgürtelverkäufers lande, seien alle Vorwürfe aus der Luft gegriffen.

Man kann auch ein Gewitter aufkommen sehen mit dicken, dunkelgrauen Wolken und darauf beharren, solange man keine Regentropfen auf der Haut spüre, würde es wohl auch keinen Regen geben. Mit anderen Worten: Hätten die geäußerten Vorwürfe die EU wirklich beunruhigt, hätte man die Gelder auf Eis legen und von der PA verlangen können, dass sie Brüssel klar machen müsse, dass diese Gelder nicht für den Judenmord eingesetzt würden. Das geschah nicht. Was aus Europa kam, war vielmehr ein Signal an die PA, solange sie die Gelder nicht noch unverschleierte für ihre eigenen Zwecke einsetze, hätte man im Norden kein Problem damit.

derStandard.at: Die Mittel an die Autonomiebehörde fließen nicht mehr direkt, sondern über einen Weltbankfonds. Von diesen Mitteln liegt zudem die Hälfte wegen Korruptionsvorwürfen an die palästinensische Autonomiebehörde auf Eis. Alles paletti also?

Schröder: Mitnichten. Es geht nicht darum, wieviel Geld gesperrt wird, weil sich hier und da auch mal ein paar Beamte in der Fatah bereichert haben könnten oder das auch im großen Stil aufgetreten sein mag. Es geht darum, dass die PA immer noch täglich einen Krieg gegen Israel führt - einen propagandistischen und einen ganz praktischen. Schön, wenn der nicht mehr aus der EU mitfinanziert wird, aber das macht die Opfer von Selbstmordanschlägen keinen Deut weniger tot oder verstümmelt.

derStandard.at: Der iranische Staatspräsident Ahmadinejad hat angekündigt, die "Brüder der Hamas" zu unterstützen, sollten USA und EU den Geldhahn tatsächlich abdrehen, weil die Hamas nicht zu einem Gewaltverzicht und der Anerkennung des Staates Israel bereit ist. Eine Zwickmühle?

Schröder: Ahmadinejad ist Islamist und hilft mit den staatlichen Mitteln, die ihm als Staatspräsident zur Verfügung stehen, anderen Islamisten. Da kann die EU erstmal nicht viel machen ? aber wie man an ihrem bisherigen Engagement im Nahen Osten bereits gesehen hat, hat sie daran auch gar kein großes Interesse.

derStandard.at: Glauben Sie, dass das Verhältnis der EU zu der Palästinensischen Autonomiebehörde durch die Regierungsmehrheit Hamas grundsätzlich geändert hat, oder sind die Drohungen der EU die Förderungen einzustellen eine Farce?

Schröder: Gerade sieht es ja mehr so aus, als hätten ein Dutzend harmloser Karikaturen die Beziehungen mehr erschüttert als tausende von Juden. Und der UN-Generalsekretär etwa hat nichts Besseres zu tun, als sich für den Respekt der Religionen einzusetzen. Diesen Ausspruch hört man nie, wenn es um tote Juden geht.

Da die Hamas auf der EU-Terrorliste steht, Brüssel aber weiter verhandeln will, wird die Organisation schön geredet. Vor allem wird behauptet, dass ja schon die Beteiligung an den Wahlen zeigte, dass sich die Hamas zivilisiere. Und das wird weiter behauptet, obwohl an einer Entwaffnung, einem Ende des Terrorkriegs oder gar an einer Anerkennung Israels die Hamas erklärtermaßen kein Interesse hat.

Die EU tut also alles dafür, dass sie weiterhin in bestem Kontakt mit der offiziellen Vertretung der Palästinenser stehen können, egal wer da sitzt. Die Situation wird für Israel immer ungemütlicher angesichts dieser und der Bedrohung aus dem Iran. Auch wenn die Zerstörung des israelischen Staates nicht das erklärte Ziel Europas ist, hat die EU-Politik im Nahen Osten die Schwächung Israels zur Folge, die auf eben ein Ende seiner Existenz herauslaufen könnte. Und das in einer Zeit des weiter ansteigenden Antisemitismus ist wahrlich mehr als beunruhigend.