Ob sie wirklich mit dem Münchner Massaker zu tun hatten, steht spätestens angesichts der fassungslosen Miene des ersten Vergeltungsopfers schwer infrage – und so wird Spielbergs Film zu einer Variation der heute viel ge 2. Spalte stellten Frage nach dem Wechselspiel von Gewalt und Gegengewalt. Dass diese Frage und die sie begleitende Unübersichtlichkeit möglicher und unmöglicher Verschwörungen nicht ganz neu sind, bezeugt er, indem er direkt auf Polithriller der 60er- und 70er- Jahre rekurriert: Den Stoizismus am Rande des Nervenzusammenbruchs, mit dem hier ein Team von Undercoverkillern von Exekution zu Exekution reist, hat man schon in Filmen von Costa-Gavras oder in den mittleren Spätwerken mit Alain Delon (Killer stellen sich nicht vor) gesehen.
"History repeats itself"
Andererseits reicht es Spielberg und seinen beiden Drehbuchautoren, dem Dramatiker Tony Kushner und dem seit Forrest Gump bewährten Eric Roth keineswegs aus, im Bereich von Fiktionen, wie brisant sie auch immer sein mögen, zu verharren: Erheben sich im Schlusstableau die Twin Towers des World Trade Center (noch) über New York, wo sich der Anführer des Agententeams (Eric Bana) lebenslang wird verstecken müssen, so verheißt dies den alten Leitsatz: "History repeats itself."
Was diese Wiederholung bedeutet, analysiert wiederum bereits der Auftakt von Munich, die vielleicht souveränste und analytisch interessanteste Szenenfolge des Films. Ähnlich wie bei 9/11 (dessen verheerende Ins-Bild-Setzungen Spielberg zuletzt auch in Krieg der Welten variierte) erzeugt hier, rund um das Olympische Dorf in München, die TV-Übertragung das wahre Erdbeben. Die Bilder werden zu Waffen, richtiger: zu Viren, die den Entscheidungs- und Gefühlshaushalt der Ge- und Betroffenen gehörig ins Wanken bringen. Gleichzeitig könnte man auch sagen: Diese Bilder und die dazu gehörigen Kommentare (etwa der Reporterlegende Peter Jennings) werden zu riesigen Schutz- und Rechtfertigungswällen, hinter denen ewige Konfliktgegner in Ruhe ihr Mütchen kühlen können.
Grandiose Momente
Spielbergs Film hat grandiose Momente, wenn etwa in dieser Anfangssequenz der Schemen eines vermummten Mannes beim Betreten eines Balkons mehr erahnt als gesehen werden kann. Schon im Kopf des Betrachters kippt diese Einstellung in jenes Bild, das 1972 symbolisch für das ganze Massaker illustrierte: Das maskierte "Böse", ohne Gesicht, auf einem Plattenbaubalkon, in Schwarz-Weiß, unauslöschbar. Und gegen solche angewandte Medienkritik wirken naturgemäß Inszenierungen von Mossad-Sitzungen mit Golda Meir als unscheinbarer Rachegöttin eher abgedroschen.
Schon hier wird aber immerhin klar: Was vor allem an der Front der Bilder verloren wurde, holt man mit verdeckten Vergeltungsschlägen nicht mehr ein. In weiterer Folge wird Munich denn auch selbst zu einem eher unentschlossenen, wiewohl phasenweise ziemlich spannenden Thriller darüber, was jeder dieser Vergeltungsschläge an Anspannung und zunehmender Verunsicherung mit sich bringt.
Suspense oder gar Action – darin lag noch nie Spielbergs wahre Stärke
In dieser Inszenierung eines mörderischen Teamworks, das für Betrachter auch Suspense abwerfen soll, würde man sich mitunter Michael Mann oder Brian DePalma als Regisseur wünschen. Suspense oder gar Action – darin lag noch nie Spielbergs wahre Stärke (so paradox das angesichts seiner Blockbuster klingen mag). Es gelingt ihm auch nicht wirklich, die einzelnen Protagonisten des Killerteams als gleichwertige Protagonisten zu etablieren.