Wien - Urlaubern, die statt in der gebuchten Luxusbleibe in einer Substandardabsteige einquartiert wurden oder statt versprochener Ruhe in den Ferien Baulärm durchleiden mussten, werden es in Zukunft schwerer haben, bei ihrem Reiseveranstalter Schadenersatz einzutreiben.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat nämlich in einem aktuellen Spruch (6 Ob 251/ 05p) festgehalten, dass die so genannte Frankfurter Liste "keine Rechtsquelle darstellt", an die sich Richter halten müssen.

Diese Liste, welche detailliert entgangene Urlaubsfreuden sowie dadurch bedingte prozentuelle Preisabzüge aufführt und bisher als Maßstab und quasi wie ein ungeschriebenes Gesetz für mögliche Schadenersatzansprüche galt, habe "keinen Normcharakter". Weil sie weder vom Gesetzgeber stamme noch von einer von ihm ermächtigten Verwaltungsbehörde, wie der OGH im Rechtssatz ausführt. Bisher haben sich nicht nur geschädigte Konsumenten, sondern auch die Gerichte grosso modo an dieser - erstmals 1985 vom Landesgericht Frankfurt/Main veröffentlichten - Tabelle zur Reisepreisminderung orientiert.

Für die Anwälte der Kanzlei Schmidt Kornfeld Wukoschitz Windhager, die im konkreten Fall (wegen 9768 Euro) einen geklagten Reiseveranstalter vertreten hatten, ist der aktuelle Spruch deshalb auch "einschneidend". Das Gericht sei damit dezidiert nicht mehr an eine derartige "Orientierungshilfe" gebunden; auch wenn diese "Nörgelliste" seinerzeit nicht nur von Verbraucherschutzorganisationen, sondern auch von einem Gericht veröffentlicht worden ist.

Laut der Liste schlägt zum Beispiel ein fehlender Swimmingpool beim Reisepreis mit einem Abschlag von bis zu 20 Prozent zu Buche; ebenso ein verschmutzter Strand. Gibt es entgegen anders lautender Versprechen im Hotel keine Kinderbetreuung, gesteht die Mängelliste dem Konsumenten einen Abzug von fünf bis zehn Prozent zu. Bis zu 30 Prozent sind es, wenn bei Kreuzfahrten Landausflüge ausfallen. Es seien Leute dahergekommen, die sich anhand der Liste immense Preisabschläge errechnet hätten - nur weil ihnen das Essen im Hotel nicht geschmeckt habe, ätzen die siegreichen Anwälte auf STANDARD-Anfrage.

Anders die Konsumentenschützer der Arbeiterkammer, die den Musterprozess auf Klägerseite geführt - und verloren hatten. Sie haben naturgemäß keine Freude damit, dass "die Justiz Konsumenten mit berechtigten Forderungen nicht den Rücken stärkt". Obwohl man den Spruch bei der Arbeiterkammer nicht als "Absage an die Frankfurter Liste" verstanden wissen will, gesteht man aber doch ein, dass dadurch der Gang zum Kadi "für düpierte Konsumenten künftig noch unsicherer wird". Die müssten nun einmal mehr überlegen, ob sie das Prozesskostenrisiko wirklich tragen wollen. Leider beobachte man aber, so die AK-Experten, "dass der Wille der Reiseveranstalter zu außergerichtlichen Lösungen immer geringer und Forderungen immer öfter a priori zurückgewiesen werden". (DER STANDARD, Printausgabe vom 23.1.2006)