STANDARD: Was dachten Sie, als Benya Ihre Wahl zur Zweiten Nationalratspräsidentin mit "Jössas, a Weib" quittierte?

Hubinek: Männer beurteilen Frauen und Frauenpolitik meistens nach ihrer eigenen häuslichen Situation. Alois Mock, der mich damals vorgeschlagen hat, ist mit einer berufstätigen, ambitionierten Frau verheiratet. Aber mich haben schon vorher auch eigene Parteikollegen gefragt, ob ich denn auch kochen kann. Benyas Ausspruch hat mich schon etwas bestürzt, weil ich ja keine Unbekannte mehr war. Ich war ja schon lange im Parlament.

STANDARD: Sie "bedankten" sich gleich mit einer Aufmüpfigkeit.

Hubinek: Der Parlamentsdirektor erklärte mir, wenn ich im Plenum gewählt werde, muss ich unterhalb des ersten Präsidenten sitzen. Ich sagte, das mache ich ganz gewiss nicht, ich gehe in die Abgeordnetenbank und werde mich als Rednerin melden. Ich wollte zeigen, dass es nicht persönliches Wohlverhalten war, dass ich gewählt wurde, sondern dass es zusammen mit vielen Politikerinnen beider Fraktionen, die um Chancengleichheit kämpften, gelang.

STANDARD: Was passierte dann?

Hubinek: Ich habe plötzlich Applaus von allen Seiten gekriegt, Frau Dohnal ist aufgestanden, zu Doktor Mock gegangen und hat ihm zu seinem Vorschlag gratuliert. Das habe ich sehr nett gefunden, denn sie haben auch erkannt, dass meine Wahl eine Etappe im Kampf um mehr Chancengleichheit war. Ich weiß, wie lang wir darum gekämpft haben und noch immer kämpfen müssen. Wir sind ein Stück weitergekommen, aber es ist noch viel zu tun.

STANDARD: Gibt es heute zu wenig Frauenpolitik?

Hubinek: Ja. Wir begnügen uns mit vielen Familienbeihilfen und Zuschüssen aller Art. Es gefällt mir gut, dass man die Familien stärkt, aber die Frau in der Arbeitswelt wird etwas vernachlässigt. Familienpolitik darf Frauenpolitik nicht ersetzen. Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Kind – wir dürfen Alleinerziehende nicht vergessen – sollte man mehr forcieren.

STANDARD: Was ist seit 1986 aus Ihrer Sicht in der Frauenpolitik weitergegangen, wo hakt es?

Hubinek: Es wurde ein Bewusstsein geschaffen, dass man Frauen mit gleicher Ausbildung und Qualifikation wie Männer ruhig verantwortungsvolle Posten geben kann, ohne dass alle die Hände zusammenschlagen. Ein Meilenstein war auch, dass im Kollektivvertrag Frauen- und Männerlöhne abgeschafft wurden. Da haben wir Frauen damals die Männer sehr unter Druck gesetzt. Der Erfolg ist langsam. Ich merke, dass Frauen besonders im Uni-^Bereich sehr benachteiligt sind.

STANDARD: Angenommen, Sie wären jetzt Frauenministerin. Was stünde auf Ihrer Agenda?

Hubinek: Ich würde versuchen, mehr Frauen in leitende Posten im Unibereich zu bringen. Das Zweite wäre Nachdenken über die Vereinbarkeit von Familie bzw. Kind und Berufswelt. Das fängt mit banalen Dingen wie Öffnungszeiten der Kindergärten usw. an.

STANDARD: Sehen Sie Errungenschaften Ihrer Generation wie die Fristenlösung bedroht?

Hubinek: Nein. Das Thema hat sich erledigt. Damit haben Frauen und Männer zu leben gelernt, das kann man nicht mehr rückgängig machen. Mir erschiene es verwerflich, betroffenen Frauen mit Strafen zu drohen.

STANDARD: Worin unterscheidet sich die Frauenpolitik der Konservativen von jener der Linken?

Hubinek: Ich habe den Eindruck, dass konservative Parteien – ich selbst zähle mich zum liberalen Flügel der ÖVP – vielleicht mehr die Familienaufgabe in den Vordergrund rücken und daher familienfördernde Maßnahmen setzen, während die, die etwas liberaler sind, den Schwerpunkt mehr auf Chancengleichheit in Beruf und Politik legen. (DER STANDARD, Print, 18.1.2006)