Flinke Finger sind Voraussetzung für Profi - Hütchenspieler. Wer sich darauf einlässt, muss mit Verlusten rechnen

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Wien - Eigentlich sieht alles ganz einfach aus. Zumindest, so lange ein paar Leute, etwa auf der Mariahilfer Straße, recht ungezwungen in einem Kreis rund um den Spieler stehen, der freundlich lächelnd auf einem Stück Teppichboden drei streichholzschachtelgroße Kartonhütchen herum schiebt und die Umstehenden ermuntert, ganz unverbindlich mitzuraten, unter welchem Hütchen sich die kleine Alukugel befindet, während zwei Mitspieler (die sich bei der Flucht als Komplizen herausstellen werden) 100-Euro-Geldscheine einstreifen. Und siehe da: Es sind keine Röntgenaugen nötig, um das richtige Schächtelchen auszumachen. Zusätzlich wenden die Spieler allerlei Charme auf, um von der Aussicht auf schnelles Geld zu überzeugen.

Anfangs, wohlgemerkt. Denn wenn man einmal der Versuchung erlegen ist, seinen Einsatz (ab 50 Euro) zu verdoppeln, geht es bald rasanter zugange. Das ist auch der Sinn und Zweck: Nach einer euphorisierenden Phase des Geldscheffelns sinkt die Gewinnrate rapide ab. Fingerfertigkeit sagen die einen, Betrug die anderen: Die Kugel werde entweder im letzten Moment noch einmal verschoben oder ganz aus dem Geschehen gezogen.

Unvermutete Rückendeckung für die Spielerbanden, die aus drei bis zehn Personen bestehen, kommt aus dem Wachzimmer Stiftgasse in Wien-Neubau: "Wir haben kein schlechtes Verhältnis zu ihnen. Ich bin davon überzeugt, dass sie die Kugel nicht verschwinden lassen und korrekt spielen", meint Kontrollinspektor Josef Gaschl. Nachsatz: "Die san guat, da hüft nix." Die guten Beziehungen wurden durch bis zu 15 Einsätze pro Tag geknüpft, derzeit sind es maximal fünf.

Seit 1. Oktober illegal

All das sollte längst ein alter Hut sein, ist doch das Hütchenspiel, das sich im vergangenen Sommer einen zwar nicht festen, aber doch gefestigten Platz auf Wiens Einkaufsstraßen sicherte, seit 1. Oktober illegal (siehe Wissen). Darauf angesprochen, winkt der Hütchendreher nur lässig ab und tut so, als wüsste er von nichts. Über drei Monate nach dem Verbot treten nach Schätzungen von Peter Goldgruber von der Polizeidirektion Wien noch immer rund 80 Personen regelmäßig in Erscheinung, die Dunkelziffer nicht eingerechnet. Neben der Mariahilfer Straße sind die Glücksspielnomaden auch am Brunnenmarkt und am Praterstern unterwegs, da das Pflaster manchen doch zu heiß geworden ist, sind einige rund um den Bahnhof Wien-Mitte abgewandert.

Im Wachzimmer Stiftgasse sind die flinken Finger bekannte Kunden, sagt Inspektor Gaschl, der ihre Künste schon persönlich (im Wachzimmer) begutachten konnte. "Das sind Profis, die durch ganz Europa ziehen und an guten Tagen an die 3000 Euro verdienen können." Professionell ist auch die Organisation der Spielerbanden: Außenposten informieren per Handy, wenn eine Streife in Sicht ist. Ebenso schnell, wie die Hütchen bewegt werden, ist dann der Platz geräumt - meist bevor die Polizei eintrifft und höchstens einen Teil der "Mitarbeiter" erwischen kann.

Strikte Strafen

Die strikten Strafen - zumeist wird die Höchststrafe von 7000 Euro verhängt - habe sich bereits herumgesprochen, meint Gaschl. Dagegen wollen nun einige Spieler vorgehen und haben beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) Einspruch erhoben. Ob die Hütchenspieler künftig das Verbot in Wien respektieren werden, wird davon abhängen, ob ihnen rechtgegeben und milder gestraft wird. (Karin Krichmayr; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.1.2006)