Mit einem definierten Qualitätsniveau können sich Firmen im Wettbewerb besser positionieren, sind die Normungsexperten Stampfl Blaha und Hartmann überzeugt.

Foto: Der Standard/Regine Hendrich
Wien - "Wenn man über keine Markt beherrschenden Unternehmen verfügt, kann man Normen strategisch einsetzen", sagt Gerhard Hartmann, Managing Director des Österreichischen Normungsinstituts (ON). "Die Vorteile, die so etwas ergibt, erkennen immer mehr Länder in Europa."

Insbesondere beim weiten Feld der Dienstleistung, für die es kaum einheitliche Standards gibt, beobachten die Normungsinstitute einen starken Bedarf aus der Wirtschaft, der auch vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) aufgegriffen wurde. Beim CEN wird derzeit evaluiert, welche Themen in Angriff genommen werden sollen; eine europaweite Normungsstrategie für Dienstleistungen soll noch im Jänner vorgelegt werden.

In Österreich will man dabei ganz vorn mitmischen, erklärt Elisabeth Stampfl-Blaha, Direktor-Stellvertreterin des ON, am Beispiel einer bereits fertig gestellten Norm für Callcenter. Diese wurde von österreichischen Unternehmen angestoßen und soll jetzt als Basis für eine europaweite Norm gelten. "Wenn man früh genug beginnt, hat man auch als kleines Land Möglichkeiten, seine Vorstellungen darüber, was in eine Norm einfließen soll, einzubringen."

Tourismus mit wenig Initiative

Deshalb stört die Normungsspezialisten, dass vom heimischen Tourismus wenig Initiative zu einer Standardisierung von Dienstleistungen rund um Fremdenverkehr und Gastronomie kommt. Hartmann: "Da würden wir uns mehr wünschen." Tätig wird das Normungsinstitut erst im Auftrag der betroffenen Branche und involvierten Firmen.

Europaweit ist der Trend zur Standardisierung von Dienstleistungen - oft mit einem daran anschließenden "Gütesiegel" - stark: So ist man etwa in Spanien dabei, für Restaurantdienstleistungen eine Norm zu erarbeiten; die Niederländer schufen Regeln zur Mediation; Frankreich hat Übersiedlungsservices, Begräbnisdienste und die Vermietung von Freizeitbooten mit Standards unterlegt.

Eine österreichische Norm (Önorm) gibt es etwa für Dolmetsch und Übersetzungen; eine für Fremdenführer ist in Arbeit. Ob solche nationalen Normen dann in eine EU-Standardisierung münden, wird von Fall zu Fall entschieden, abhängig vom Interesse der betroffenen Branche.

Lokalkolorit

Dabei verwehren sich die Experten gegen den Vorwurf, durch zu viele Normen würde es zu einem Wegfall von Lokalkolorit kommen. Im Gegensatz zu Normen im Industriebereich, wo es oftmals um technische Kompatibilität und Schnittstellennormierung gehe, legt eine Norm im Bereich Dienstleistung den Schwerpunkt auf das notwendige Know-how und die Qualifikation bei Mitarbeitern. Wie bei Industrienormen auch, bringe eine Servicenorm Sicherheit für Konsumenten.

Diese Sicherheit bringe es mit sich, dass bei den neuen Mitgliedstaaten der EU hohes Interesse darin bestehe, bei der Normarbeit mitzuarbeiten. Stampfl-Blaha: "Die haben erkannt, welche Chancen sich daraus für sie ergeben. Und zwar sowohl, was den Know-how-Transfer betrifft, als auch beim Export."

Auch im Industriebereich kommt es in den Branchen, in denen bisher eher auf eine enge vertragliche Anbindung von Zulieferfirmen gesetzt wurde, zu einem Umdenken. Zum Beispiel in der Autoindustrie. Hartmann: "Da erkennt man, dass Normen flexibler und billiger sind." Weiterhin werde es aber Quasi-Standards geben, in den Bereichen, in denen große Firmen dominieren. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 09.01.2006)