Skispringen ist fürs Fernsehen grundsätzlich ungeeignet. Der Sport hat freilich einen großen Vorteil: er findet im Winter, in unserer nationalen Jahreszeit statt. Zwar werden unsere Skispringer und Skirennfahrer durch die Bildgesetze des Fernsehens ihres Mutes und ihrer Gewandtheit entkleidet, doch die Verwandlung von Begabten und Mutigen in bunte Roboter - unser Maier und Morgenstern sind in Action nicht von Fremden zu unterscheiden - auf weißen Leintüchern der Piste oder des Sprunghügels macht sie fit für den Konsumentenmarkt zwischen fünf und 95.

In der kalten Wüste zwischen Weihnachten und Silvester dienen die Skispringer als Vertreiber der Zeit, die ohne die Vierschanzentournee mit anderen Inhalten gefüllt werden müsste. Familienprobleme. Jobsorgen. Elterliche Studienabschlusspanik des Sohnes. Schwiegersohnabstoßungsreflex. Wie gut, dass es unsere fliegenden und plappernden Männer in ihren Plastikanzügen gibt, die zu stereotypen Gespräche und Kommentaren vom Brunch bis weit nach Kaffee und Kuchen das Programm bestreiten. Und wenn zum Schlagobersgupf auch noch "einer von uns" gewinnt, um so besser.

Es muss ja nicht Thomas Sykora sein, der mit vor Begeisterung überschnappender Stimme durch Schneewüsten pflügt und irgendwann aufschreit: "Und hier hat sie die Skier in die Falllinie gestellt!" Während rund um ihn unsere Winterlandschaft still duldet.

Der Siegeszug des TV-Sports bewahrt uns vor dem nächsten schmählosen Moik oder der zweiten prima Vera. Der Sport ist die beste Chance, im Immergleichen jedes Mal Neues zu erhalten, über das wir stets von Neuem das Gleiche diskutieren. Unter uns. (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 30. Dezember 2005, Johann Skocek)