Ursache des Gas-Streits zwischen Moskau und Kiew ist die Ankündigung des staatlichen russischen Energiekonzerns Gazprom, die Gaspreise für die Ukraine ab Jänner zu verfünffachen. Das Unternehmen begründet die Preiserhöhung von derzeit knapp 50 Dollar (42,20 Euro) auf dann 230 Dollar für 1.000 Kubikmeter Gas mit der Abschaffung von Sonderkonditionen und dem Übergang zu international üblichen Handelsbedingungen. Die Regierung in Kiew wehrt sich dagegen und kritisiert die Preiserhöhung als Bestrafung für die westlich orientierte Politik der Ex-Sowjet-Republik. Während Russland nun damit droht, die Gaslieferungen an die Ukraine ab Jahresbeginn einzustellen, erklärte der ukrainische Ministerpräsident Jurij Jechanurow, der bestehende Vertrag mit Gazprom gebe der Ukraine das Recht, 15 Prozent der über ihr Territorium transportierten Gasmenge als Transitgebühr für sich zu behalten.
Österreich importiert rund 59 Prozent
Österreich deckte im Vorjahr knapp 59 Prozent seines Erdgas-Bedarfs durch Importe aus Russland. Fast ein Fünftel des verbrauchten Gases wird in Österreich gefördert, etwa 13 Prozent stammen aus Deutschland und 9 Prozent werden aus Norwegen bezogen. Das Wirtschaftsministerium in Wien erwartet bis 2010 eine Verbrauchssteigerung um ein Drittel.
Die Lieferverträge zwischen OMV und Gazprom laufen bereits seit 36 Jahren. Österreich hatte 1968 als erstes westeuropäisches Land einen Gasliefervertrag mit der damaligen Sowjetunion abgeschlossen. Insgesamt sind seither kumuliert mehr als 130 Mrd. Kubikmeter Erdgas aus Russland nach Österreich geflossen. Im Frühjahr 2004 hat die OMV ihre Gaslieferverträge mit Gazprom verlängert. Demnach werden die Erdgas-Lieferungen der Russen von bisher 5,5 Mrd. Kubikmeter jährlich schrittweise auf 6,5 Mrd. Kubikmeter erhöht. Die Laufzeit aller Verträge wurde auf 2012 angeglichen - einige Verträge wären bereits 2008 ausgelaufen.
Dennoch arbeitet die OMV als Teil eines Konsortiums nationaler Ölgesellschaften an der Gaspipeline "Nabucco", die von der Türkei nach Österreich führen soll. Mit dem Bau der insgesamt 4,6 Mrd. Euro teuren und 3.300 km langen Gasleitungsoll 2008 begonnen werden, damit dann 2010 oder 2011 Gas aus dem Raum Iran-Qatar, Irak, Ägypten, Aserbaidschan, den GUS-Staaten und Rumänien nach Mitteleuropa fließen kann.
E.ON warnt
Dass die deutsche E.ON vor einer Bedrohung der Gasversorgung Deutschlands und Westeuropas warnt, dürfte kein Zufall sein: Die deutschen Energiekonzerne E.ON und BASF sind an dem zwischen Deutschland und Polen heftig umstrittenen Bau einer mehr als vier Milliarden Euro teuren Ostsee-Gaspipeline (North European Gas Pipeline, NEGP) zwischen Russland und Deutschland beteiligt, durch die künftig die Hälfte der deutschen Gasimporte vom russischen Gasproduzenten Gazprom fließen soll, wobei die Transitländer Ukraine, Weißrussland und Polen umgangen werden. Aufsichtsratsvorsitzender der Betreibergesellschaft ist der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die E.On hält über ihre Tochter Ruhrgas AG einen Anteil von 6,4 Prozent an Gazprom.
Ganz von der Hand zu weisen ist die Angst vor einer Gefährdung der Versorgungssicherheit nicht - so hatte Russland im Februar 2004 im Streit mit seinem verarmten Nachbarn Weißrussland um Gaspipelines und Preise sämtliche Erdgaslieferungen nach Weißrussland eingestellt. Die Russen warfen ihren Nachbarn damals vor, widerrechtlich Gas abgezapft zu haben, das in andere Länder durchgeleitet werden sollte. Das für Westeuropa bestimmte Exportgas wurde auf andere Routen umgeleitet, auch über die Ukraine.
Gazprom weltgrößter Erdgasproduzent
Der mehrheitlich staatliche russische Gasmonopolist Gazprom ist der weltgrößte Erdgasproduzent und das größte Unternehmen des Landes. Mit knapp 29 Bill. Kubikmetern besitzt Gazprom etwa ein Sechstel der weltweit nachgewiesenen Gasvorräte. 2004 förderte das Unternehmen 545 Mrd. Kubikmeter Erdgas, davon wurden 140,5 Mrd. Kubikmeter nach Europa geliefert. Darüber hinaus besitzt Russland neben Saudi-Arabien auch die weltweit größten vermuteten Erdölvorkommen.