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Foto: EPA/Sergey Chirikov
Helsinki – Die schwermütigen Finnen trinken viel – dieses Urteil bestätigt sich nun teilweise durch eine neue Studie des landeseigenen Statistikamtes: Innerhalb der vergangenen zwei Jahre stieg die Zahl der Finnen, die an den Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum gestorben sind, um fast 20 Prozent.

Der Grund: Die Regierung wollte den Alkoholschmuggel aus billigeren Nachbarländern bremsen und senkte die für ganz Nordeuropa üblichen hohen Alkoholsteuern um 33 Prozent. Plötzlich wurde Alkohol preiswert in Finnland – zumindest im Vergleich zu Schweden und Norwegen.

Eine Flasche Wodka: 16 Euro

Eine 0,7-Liter-Flasche durchschnittlich guter Wodka, ein Lieblingsgetränk der Finnen, kostet nun statt rund 24 nur noch 16 Euro. Zum Vergleich: In Österreich ist vergleichsweiser Wodka schon um weniger als zehn Euro zu haben, noblere Marken kosten mehr als 15 Euro.

Der unerwartet hohe Anstieg der Todeszahlen lässt nun die Opposition fordern, die Alkoholsteuer wieder auf das alte Niveau zu erhöhen. Allein im Vorjahr nahmen der Wodka und andere Alkoholika 1860 Finnen das Leben; im Jahr 2003 waren es noch 1560.

Hohe Selbstmordrate

Der traditionell hohe Alkoholkonsum im Land gilt auch als wichtigste Ursache für die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern übermäßig hohe Selbstmordrate. "Trinkt sich das 5,2-Millionen-Einwohner-Land nun zu Tode?" fragen nun deshalb die Leitartikelschreiber Finnlands.

Doch die linksliberale Regierung hat keinerlei Pläne, den Alkohol wieder teurer zu machen. Päivi Räsänewn, Ärztin und Vorsitzende der Christdemokraten, ist aufgebracht: "Die finnische Regierung lässt die Menschen sterben. Das Resultat der Steuersenkung ist noch schlimmer als wir uns das zunächst ausgemalt haben", sagt sie.

Selbst die Anzahl der Kinder, die von staatlicher Fürsorge abhängig sind, weil ihre Eltern trinken, sei gestiegen. Auch die Notaufnahmen der finnischen Krankenhäuser klagen über die die inzwischen regelmäßige Überforderung mit Alkoholfällen, vor allem an den Wochenenden.

Aber einen Weg zurück zu den hohen Alkoholsteuern ist laut Regierung völlig ausgeschlossen. Alkoholexpertin Esa Österberg erklärt dazu: "Die Regierung hat die Alkoholsteuer nicht zum Vergnügen gesenkt. Man rechnete auch mit ungefähr 600 zusätzlichen Todesfällen jährlich wegen der Steuersenkung. Die Steuer einfach wieder zu erhöhen würde nicht helfen, denn es ist einfach für Finnen, billigen Alkohol aus Estland zu beschaffen." Es gebe einfach keine andere Alternative.

Maximum erreicht

Außerdem habe man nun das Maximum erreicht. In Zukunft würden die Todesraten wieder zurückgehen. Dass die Regierung nichts zu ändern vermöge, hält Oppositionspolitikerin Päivi Räsänen für unglaubwürdig. "Wir wissen dass es eine direkte Verbindung zwischen Alkoholpreis und Verkauf gibt. Hebt man die Steuern, sinkt der Verbrauch." Die Opposition gibt zu bedenken: Nicht alle Finnen hätten Zeit und Energie, ihren Alkohol im Baltikum einzukaufen. (André Anwar, DER STANDARD Printausgabe, 28.12.2005)