In den NIEDERLANDEN wird vor allem die Debatte zur EU-Verfassung unter österreichischem EU-Vorsitz genau verfolgt. Niederländische Medien berichteten nach der Präsentation des Präsidentschaftsprogramms durch Außenministerin Ursula Plassnik (V), dass unter Österreichs Vorsitz im Juni Zwischenbilanz dazu gezogen werden soll, Österreich aber noch keine konkreten Pläne verfolge.
Neben Frankreich und Großbritannien stellen die Niederlande das größte Hindernis für eine Wiederaufnahme des Ratifizierungsprozesses dar. Die niederländische Regierung hat mehrfach klar gemacht, dass der Text in der vorliegenden Form nach dem negativen Verfassungsreferendum vom Juni nicht akzeptabel sei. Änderungen könnten sich demnach erst nach den nächsten Parlamentswahlen Anfang 2007 ergeben. Diplomaten in Brüssel betonen, die Regierung in Den Haag wolle eine Debatte über die EU-Verfassung im Wahlkampf vermeiden.
In BELGIEN berichtete die Zeitung "La Libre Belgique" über die Haltung, die Österreich in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einnehmen will. Aussagen von Plassnik, wonach es "zu früh" sei, bereits über die Eröffnung des ersten Verhandlungskapitels zu spekulieren wurden ebenso gebracht wie die Versicherung, dass Österreich seiner Rolle als EU-Vorsitz in diesem Punkt gerecht werden wolle.
Die nach Bildung der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) im Jahr 2000 entstandenen Differenzen mit den EU-Partnerländern - Belgien unterstützte damals massiv die "EU-Sanktionen" gegen Wien - gelten mittlerweile als überwunden. Verhofstadt und Schüssel waren im Vorjahr beide als Kandidaten für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten im Gespräch, konnten sich aber letztlich nicht gegen einen Kompromisskandidaten, den Portugiesen Jose Manuel Barroso, durchsetzen.
Der EU-Verfassung hat Belgien im Prinzip bereits zugestimmt, formal ist noch der Beschluss der regionalen Parlamente ausständig. Ministerpräsident Guy Verhofstadt hat die Debatte über die Zukunft Europas unlängst mit einem Plädoyer für die Bildung der "Vereinigten Staaten von Europa" nach US-Vorbild belebt. Die Teilnahme an diesem politischen Kern eines europäischen Staatenbundes soll freiwillig sein. Welche Staaten dazugehören sollten, sagte Verhofstadt nicht.
In LUXEMBURG hat Ministerpräsident Jean Claude Juncker seinen Hoffnungen auf den österreichischen EU-Vorsitz bereits vor der Einigung im EU-Budgetstreit Ausdruck verliehen. Juncker geht nach eigenen Worten davon aus, dass der Ratifizierungsprozess für die EU-Verfassung wieder aufgenommen wird. Die Luxemburger haben den EU-Verfassungsvertrag im Juli per Referendum ratifiziert.
Slowenien unterstützt zur Gänze die Prioritäten des österreichischen EU-Ratsvorsitzes: das Vertrauen der Bürger in die Union stärken, den Balkan näher an die EU bringen, die Balance zwischen Europäischem Sozialmodell und einer Ankurbelung der Wirtschaft halten. Wie das Laibacher Außenministerium der APA mitteilte, befindet sich die EU in einer Zeit der Selbstreflexion, die jedoch konkrete Ergebnisse bringen müsse. Österreich könnte einen bedeutsamen Schritt zur Belebung des europäischen Projekts - konkret der EU-Verfassung - tun.
Bezüglich des Westbalkan seien die Ansichten Sloweniens und Österreichs "fast identisch", denn die Annäherung dieser Region an die EU sei für beide Staaten ein lebenswichtiges Interesse, heißt es in Laibach. Slowenien werde bei den diesbezüglichen österreichischen Bemühungen zur "aktiven Mitarbeit" bereit sein. Auch sonst wolle Slowenien ein konstruktiver Partner innerhalb der EU sein.
Das EU-Verfassungsprojekt sei "nicht tot", denn 14 Mitgliedstaaten hätten den Vertrag bereits ratifiziert. Slowenien werde daher weiterhin für eine Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses eintreten. In der Finanzfrage wolle Slowenien auf einer Beibehaltung des bisherigen Förderniveaus bestehen. Die österreichische Skepsis gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei wird vom offiziellen Laibach nicht geteilt. Den Kandidatenländern Türkei und Kroatien seien Maßstäbe vorgelegt worden, die sie zu erfüllen hätten, heißt es.
In den slowenischen Medien wird die nahende österreichische Ratspräsidentschaft nicht eigens behandelt, sondern im Zusammenhang mit den kritisch bewerteten Ereignissen in Kärnten. In den Kommentaren zur Minderheitenpolitik des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider (B) und den bundespolitischen Reaktionen darauf wird oft darauf hingewiesen, dass es sich Österreich in der Zeit der Präsidentschaft nicht leisten könne, diese heikle Frage zum tagespolitischen Thema zu machen. In Wien sei man auch deshalb bemüht, das Problem zu entschärfen und in Europa den Eindruck zu erwecken, dass sich die Dinge in Kärnten auf dem Weg der Besserung befänden.
Einige Male ist auch darauf hingewiesen worden, dass die
slowenische Politik die Aktivitäten des Nachbarlandes an der
EU-Spitze mit größter Aufmerksamkeit beobachten wird, um dabei etwas
zu lernen. Slowenien erwartet nämlich das "gleiche Schicksal", die
Übernahme der EU-Präsidentschaft, am Beginn des Jahres 2008.
Slowenien wird als erstes der im Vorjahr beigetretenen zehn Staaten
den EU-Vorsitz führen.
Ungarn hofft auf rasche Erweiterung Ungarn erhofft sich von der österreichischen
EU-Ratspräsidentschaft ein Festhalten am Beitrittstermin 2007 für
Bulgarien und Rumänien. Dieser Beitritt sei von großer politischer
und wirtschaftlicher Bedeutung, damit mit ihm die Wirtschaftsgrenze
zwischen den beiden Nachbarn Rumänien und Ungarn falle und damit auch
die historische wirtschaftliche Einheit wieder hergestellt werde,
sagte der Budapester Politologe Zoltan Kilzely gegenüber der APA. Österreich solle "der Offenheit Europas für Osteuropa eine starke
Aufmerksamkeit schenken", verlautete auch aus dem Budapester
Außenamt. Dies gelte auch für die EU-Integration des Westbalkan.
Kilzely sagte dazu, die beiden Länder sollten gemeinsam als Lobby für
diese Region auftreten, auch im wirtschaftlichen Bereich. So sollten sich die Erdölgesellschaften MOL (Ungarn) und OMV
(Österreich) oder die Banken OTP und Erste Bank gemeinsam gegen die
Konkurrenz aus anderen Regionen behaupten. Der möglichst rasche
EU-Beitritt Kroatiens sei ein Anliegen der ungarischen Regierung und
aller Parlamentsparteien. Die ungarische Regierung wünscht sich auch eine engere Kooperation
der regionalen Partnerschaft (Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen,
Österreich und Slowenien) innerhalb der EU. Erwünscht sei eine
"stärkere Koordinierung" dieser Staaten, hieß es aus dem
Außenministerium. Wie andere EU-Neumitglieder pocht auch Ungarn darauf, dass
Österreich im ersten Halbjahr 2006 seine nach der Erweiterung
verhängten strengen Beschränkungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit
überprüft und seinen Arbeitsmarkt dem Nachbarland weiter öffnet, so
Kilzely. Unterstützung erhofft man sich für die Initiative des
ungarischen EU-Steuerkommissars Laszlo Kovacs, der einheitliche
Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftssteuer einführen will, um
den Steuerwettbewerb zwischen den EU-Staaten transparenter zu
gestalten. Wenig Hoffnungen hat man in Budapest, dass Österreich Schritte zur
Verabschiedung der nach dem Nein bei Referenden in Frankreich und den
Niederlanden auf Eis liegenden EU-Verfassung erreichen wird können.
Man erwarte, dass der Ratsvorsitz die Verhandlungen diesbezüglich
fortsetzen werde, so das ungarische Außenamt.
Die Slowakei unterstützt vor allem den
Balkan-Schwerpunkt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Man
trete für eine möglichst schnelle EU-Integration der
Westbalkan-Länder ein, heißt es im Preßburger Außenministerium.
Besonders die EU-Integration von Kroatien stelle für die Slowakei
eine Priorität dar. Darüber hinaus werde man alle Bemühungen
unterstützen, die Beziehungen der EU zur Ukraine zu intensivieren. Den Wunsch mehrerer EU-Staaten nach einer Harmonisierung der
Steuern in der Union lehnt die Slowakei dagegen strikt ab. Der
slowakische Premier Mikulas Dzurinda äußerte in diesem Zusammenhang
auch indirekt Vorbehalte gegen das "Europäische Sozialmodell", das
der österreichische Ratsvorsitz zum Thema machen will. Vor allem der
slowakische Finanzminister Ivan Miklos gibt klar einer von
Neoliberalismus inspirierten Wirtschaftspolitik den Vorzug. In diesem Zusammenhang ist der Slowakei besonders die
Liberalisierung des Arbeitsmarktes in der EU ein Anliegen. Österreich
verwehrt dagegen Arbeitnehmern aus den mittel- und osteuropäischen
Staaten vorerst den Zugang zu seinem Arbeitsmarkt. In der Frage der EU-Verfassung hat sich die Slowakei bisher wenig
exponiert. Zwar hat das slowakische Parlament das Vertragswerk
ratifiziert, die mitregierenden Christdemokraten (KDH) äußerten aber
schon damals offen Vorbehalte gegen die Verfassung, weil das
christliche Erbe Europas in ihr keine explizite Erwähnung fand. Auch
Experten, die eng mit Dzurindas Slowakischer Demokratischer und
Christlicher Union (SDKU) zusammenarbeiten, stehen der EU-Verfassung
skeptisch gegenüber.
Tschechien will Arbeitsmarkt-Öffnung Tschechien ist vor allem die Aufhebung der
Übergangsfristen für die Arbeitnehmer-Freizügigkeit in einigen
EU-Mitgliedsstaaten - darunter Österreich - ein Anliegen. Unter
österreichischem EU-Ratsvorsitz soll diese Regelung um weitere zwei
Jahre verlängert werden, was Tschechien verhindern will. "Die Tschechische Republik kann keinen Arbeitsmarkt innerhalb der
EU destabilisieren", argumentiert Außenminister Cyril Svoboda. Die
Tschechen würden nicht gerne umziehen. Außerdem gebe es in Tschechien
bis zu 100.000 Ukrainer - "und trotzdem ist bei uns nichts passiert". In anderen EU-Fragen spricht Tschechien des Öfteren mit
gespaltener Zunge. Während sich das Kabinett des sozialdemokratischen
(CSSD-) Premiers Jiri Paroubek etwa für die Idee eines sozialen
Europas ausspricht, wendet sich der konservative Staatspräsident
Vaclav Klaus strikt gegen solche Vorstöße. Das europäische
Sozialmodell und Maßnahmen zur Ankurbelung von Wirtschaft und
Beschäftigung gehören zu den Schwerpunkten der österreichischen
Ratspräsidentschaft. Noch krasser sind die Meinungsunterschiede in der Frage der
EU-Verfassung. Während Klaus und seine Demokratische Bürgerpartei
(ODS) sie als "totes Dokument" ansehen, meint die Regierung, dass man
weiter nach Wegen zur Annahme der Verfassung suchen müsse. Nach
Angaben von Svoboda gibt es mehrere Möglichkeiten: Beispielsweise nur
einige Bestimmungen der EU-Verfassung umzusetzen oder eine
gesamteuropäische Volksabstimmung zu veranstalten. Die Fortsetzung
des Ratifizierungsprozesses in der bisherigen Form - von Land zu Land
- hätte laut Svoboda keinen Sinn. "Es gäbe nur einen Domino-Effekt",
warnte er. Am Ende des österreichischen EU-Ratsvorsitzes - voraussichtlich im
Juni 2006 - finden übrigens in Tschechien Parlamentswahlen statt.
Umfragen zufolge wird es einen Sieg der als EU-skeptisch geltenden
ODS geben.
Polen sieht der österreichischen
EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 mit Skepsis entgegen.
"Ich glaube nicht, dass die Österreicher die Interessen und
Bedürfnisse der neuen EU-Mitglieder berücksichtigen werden. Sie waren
doch am meisten gegen die Osterweiterung der Union", sagt der
Warschauer EU-Experte Roman Gutkowski. Positiv über die
Zusammenarbeit Österreichs äußerte sich dagegen jüngst bei einem
Besuch in Warschau die EU-Regionalkommissarin Danuta Hübner. Hinsichtlich der EU-Verfassung hofft die Regierung in Warschau
darauf, dass der österreichische Ratsvorsitz "konstruktive" Schlüsse
aus der derzeitigen Debatte über die Zukunft Europas ziehen werde.
Premier Kazimierz Marcinkiewicz sagte jüngst, unter österreichischem
Ratsvorsitz werde eine Zwischenbilanz gezogen. Die Chancen, dass die
Verfassung beschlossen werde, seien aber "gering". Die Union müsse
zwar reformiert werden, aber dies müsse nicht durch eine politische
Integration geschehen. Die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit"
(PiS) lehnt die EU-Verfassung ab. Ein besonderes Anliegen ist Warschau die Öffnung des
österreichischen Arbeitsmarkts für Polen. Die positiven Beispiele aus
Großbritannien und Schweden - sie haben keine Übergangsfristen für
Arbeitskräfte aus den EU-Neumitgliedern verhängt - seien in dieser
Diskussion "gute Argumente", sagt Ireneusz Bil von der Warschauer
Präsidentschaftskanzlei. Beim Thema EU-Erweiterung steht die polnische Regierung
einstweilen mit ihrem Eintreten für einen Beitritt der Ukraine
ziemlich allein da. Auch die österreichische Regierung lehnt bisher
eine Beitrittsperspektive für die ehemalige Sowjetrepublik ab, wird
aber im ersten Halbjahr die Umsetzung des gemeinsamen Aktionsplans
mit der Regierung in Kiew und Gespräche über ein Freihandelsabkommen
vorantreiben. Fraglich ist die Unterstützung Polens für den Balkan-Schwerpunkt
der österreichischen Ratspräsidentschaft. Das bisherige polnische
Engagement in dieser Region hatte nämlich weniger mit den
außenpolitischen Prioritäten des Landes als den guten persönlichen
Beziehungen des bisherigen Präsidenten Aleksander Kwasniewski zu den
dortigen Staatsoberhäuptern zu tun. Der neu gewählte Präsident Lech
Kaczynski, der am 23. Dezember sein Amt antreten wird, dürfte sich
wohl eher auf die Innenpolitik konzentrieren. In Großbritannien werden von der österreichischen
EU-Ratspräsidentschaft nach der gelungenen Einigung auf das
Langfristbudget 2007-2013 vor allem Vorstöße zur Ankurbelung der
europäischen Wirtschaft erwartet. So kommt Österreich die Aufgabe zu,
die beim informellen EU-Gipfel in Hampton Court im Oktober
beschlossenen Maßnahmen in konkrete Form zu gießen. "Die schleppende EU-Wirtschaft zu beleben und die Arbeitslosigkeit
zu verringern, ist ganz oben auf der Agenda", schreibt die Londoner
Wirtschaftszeitung "Financial Times". Sie weist darauf hin, dass die
österreichische Bundesregierung in den vergangenen Jahren beherzte
Reformschritte gesetzt habe. Zahlreiche österreichische Minister kamen während der britischen
EU-Ratspräsidentschaft zu Kurzbesuchen nach London. Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel (V) nahm gemeinsam mit Premier Tony Blair und dem
finnischen Regierungschef Matti Vanhanen an einem Sozialpartnergipfel
teil. Dabei wurde klar, dass die heftig umstrittene
Dienstleistungsrichtlinie in ihrer bisherigen Form vom Tisch ist. Frankreich und Österreich gehören zu jenen Staaten, denen das
geplante Herkunftslandprinzip für Sozial- und
Verbraucherschutzstandards bei Dienstleistungen in der Union ein Dorn
im Auge ist. Großbritannien befürwortet dagegen die Pläne der
EU-Kommission, weil es sich von der Liberalisierung des
Dienstleistungsmarktes einen Wachstumsschub erwartet. Trotz der in letzter Minute unter britischem Vorsitz erreichten
EU-Budgeteinigung werde diese Präsidentschaft "viel schwieriger" sein
als der erste österreichische Ratsvorsitz im Jahr 1998, so die "FT".
Sie lobt aber den Ansatz von Bundeskanzler Schüssel, die Frage der
Zukunft Europas im Rahmen einer "informellen Konferenz" zeitgleich
mit dem 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart Ende Jänner in
Salzburg zu diskutieren. "Dieses Ereignis wird die europäische
Identität und gemeinsame Kultur untersuchen, um den politischen
Prozess wieder auf Schiene zu bringen." Beträchtliches Aufsegen erregte Österreich im Herbst mit seinem
Widerstand gegen die Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der
Türkei. In der oft holzschnittartigen Porträtierung der Welt
außerhalb der britischen Inseln zogen sogar seriöse Tageszeitungen
wie der "Guardian" uralte Nazi-Klischees aus der untersten Schublade.
Die österreichische Botschaft in London sah sich sogar zum Verfassen
einen Protestbriefs veranlasst. Der britische Außenminister Jack Straw zollte seiner
österreichischen Amtskollegin Ursula Plassnik (V) damals aber große
Anerkennung für ihre Standhaftigkeit. Sie verdiene sich eine
"Tapferkeitsmedaille", sagte er. Überhaupt ist die österreichische
Regierung innerhalb Europas laut "FT" fünf Jahre nach den
"EU-Sanktionen" wieder "voll rehabilitiert".
Italien setzt auf Wirtschaftsreformen Rom (APA) - Die italienische Regierung will den österreichischen
EU-Ratsvorsitz vor allem bei Plänen zur Ankurbelung des Wachstums und
der Beschäftigung in Europa unterstützen. Auch die Förderung einer
stärkeren Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen
angesichts der internationalen Herausforderungen ist für Rom eine
Priorität. Begrüßt werden in Italien zudem die Pläne der österreichischen
Präsidentschaft, eine Balance zwischen Europäischem Sozialmodell und
Ankurbelung der Wirtschaft sowie eine starke Entbürokratisierung zu
fördern. Mit aktiver Unterstützung von Seiten der Regierung
Berlusconi kann Österreich auch bei den Bemühungen zur
Betrugsbekämpfung im Steuerbereich rechnen. Auffassungsunterschiede mit der österreichischen
EU-Präsidentschaft könnten beim Thema EU-Erweiterung auftreten.
Während Österreich den EU-Beitritt Kroatiens aktiv unterstützt, hat
Italien angesichts der noch nicht erreichten Einigung über die
Entschädigung italienischer Vertriebener aus Istrien Bedenken
geäußert. Rom hat mit Unmut registriert, dass Zagreb nur mit
Österreich ein bilaterales Abkommen zur Entschädigung jener Personen
abgeschlossen hat, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Kroatien
vertrieben wurden und deren Eigentum verstaatlicht wurde. Über ein
ähnliches Abkommen verhandeln Italien und Kroatien seit 2002 - bisher
ohne Ergebnisse. Das Abkommen zwischen Wien und Zagreb hat freilich
derzeit keine Chance, vom kroatischen Parlament gebilligt zu werden. Auch in puncto Türkei könnte es Diskussionen geben. Die Regierung
von Ministerpräsident Silvio Berlusconi befürwortet im Gegensatz zu
Österreich mit voller Überzeugung einen EU-Beitritt der Türkei. Frankreich hofft auf Integrationsschub Paris erwartet sich vom österreichischen
EU-Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2006 vor allem Fortschritte im
Bereich der politischen Integration der Europäischen Union. So
betonte etwa Europaministerin Catherine Colonna Ende November bei
einem Besuch in Wien, Österreich müsse die Europapolitik wieder in
Marsch bringen und den europäischen Bürgern nach dem Scheitern der
EU-Verfassung beweisen, dass sich in den Institutionen etwas bewege. Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie nannte dagegen als
vorrangiges Ziel die Stärkung der militärischen Kapazitäten der
Europäischen Union, um bei lokalen Krisen einschreiten und den
Terrorismus wirksam bekämpfen zu können. Bereits in den vergangenen
Jahren habe das neutrale Österreich die gemeinsame Sicherheitspolitik
"effizient begleitet", insbesondere durch die Beteiligung an den
europäischen Friedenstruppen auf dem Balkan und durch die
Ankündigung, ab 2008 bei der schnellen Eingreiftruppe der EU
mitzumachen. Gleicher Meinung waren Wien und Paris auch im EU-Budgetstreit. Sie
forderten eine Abschaffung des Briten-Rabatts und lehnten zugleich
Vorstöße für eine radikale Kürzung der EU-Agrarausgaben ab. Auch in
Bezug auf die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie vertreten
Österreich und Frankreich sehr ähnliche Standpunkte. Beiden
Regierungen geht es um die Ausgewogenheit zwischen wirtschaftlichem
Schwung und Vermeidung von Sozialdumping. Unstimmigkeiten zwischen Frankreich und Österreich herrschen in
Bezug auf die Bewertung der Steuerpolitik in den neuen Unionsländern.
Paris warf den ehemaligen Ostblockländern Steuerdumping vor, mit dem
sie Investoren anziehen wollten. Als Sanktion schlug Paris die
Streichung von EU-Fördermitteln vor. "Ich sehe kein Steuerdumping. Es
gibt kein vergleichbares Maß zwischen dem, was die Länder aus dem
EU-Budget erhalten, und dem, was sie die Steuerreformen kosten",
sagte Grasser vergangene Woche in Paris. Was die "EU-Sanktionen" gegen die blau-schwarze Wiener Regierung
im Jahr 2000 anlangt, zu deren heftigsten Vorkämpfern Präsident
Jacques Chirac gezählt hatte, so ist das Kriegsbeil offiziell
begraben. "Wir hatten Schwierigkeiten in der Vergangenheit. Heute ist
die Situation ganz anders, und es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten und
Konvergenzpunkte", sagte Colonna bei ihrem Wien-Besuch. Etwas undiplomatischer äußern sich dagegen die französischen
Medien. So sprach "Le Monde" Anfang Dezember angesichts des
bevorstehenden Ecofin-Vositzes von Finanzminister Grasser von einer
"Revanche". "Anfang 2000 war er nicht salonfähig. Als Mitglied der
rechtsextremen FPÖ von Jörg Haider war er wie die ganze
österreichische Regierung von der Europäischen Union verbannt. Fünf
Jahre später nähert sich der österreichische EU-Vorsitz", schreibt
das linksliberale Blatt. Grasser selbst bezeichnete die Sanktionen
der damaligen 14 EU-Partnerstaaten beim jüngsten Besuch in Paris als
"Fehler", den
er "verziehen, aber nicht vergessen" habe. Österreichs EU-Ratsvorsitz - Deutschland hat große Erwartungen
CDU-Politiker betonen enge Abstimmung zwischen Wien und Berlin - Brok: "Könnte historische Präsidentschaft werden" Berlin (APA) - In Deutschland blickt man der österreichischen
EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 hoffnungsfroh und mit
großen Erwartungen entgegen. "Wir erwarten in erster Linie, dass
Österreich den Scherbenhaufen zusammenkehrt, den die Briten
angerichtet haben", sagte der CDU-Abgeordnete Georg Brunnhuber. Die
Präsidentschaft werde eine "außerordentlich wichtige werden", meinte
auch der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok bei einem Wien-Besuch im
November. Auch Friedbert Pflüger, neuer Staatssekretär im
Verteidigungsministerium und außenpolitischer Sprecher der
Unionsfraktion, unterstreicht im Gespräch mit der APA die hohen
Erwartungen, die auf Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) lasten. "Wir
wissen um sein internationales Ansehen und seine Kompetenz." Auf
Österreich komme in der entscheidenden Phase der europäischen
Entwicklung und der Handlungsfähigkeit der EU große Verantwortung zu
- und das vor dem Hintergrund der erst im Dezember in letzter Minute
gelösten Budgetkrise, der Akzeptanzkrise im Erweiterungsprozess und
der Krise in der Verfassungsdiskussion, so Pflüger. Brok deutete an, dass sich innerhalb der EU eine "Achse" zwischen
Wien und Berlin herausbilden könnte, vor allem in den Bemühungen zur
Lösung der EU-Verfassungskrise. Österreich könnte eine "Roadmap"
(Fahrplan) mit konkreten "Daten und Wegen" für die Ratifizierung der
bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden
verworfenen EU-Verfassung vorlegen, um zu verhindern, dass sie "im
Nirvana landet". Sollte dies gelingen, könnte der österreichische
EU-Ratsvorsitz eine "historische Präsidentschaft" werden. Unter
deutscher Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 könnte dann nämlich
nach Wahlen in Frankreich und den Niederlanden ein neuer Anlauf zur
Annahme der EU-Verfassung gestartet werden. Bundeskanzler Schüssel könne dabei auch auf die Unterstützung der
CDU-Chefin und neuen deutschen Kanzlerin Angela Merkel zählen. "Es
wissen alle, dass die Chemie zwischen Schüssel und Merkel stimmt."
Die beiden würden häufig miteinander telefonieren und spielten auf
EU-Ebene "mit offenen Karten". Merkel werde zudem von der
"Schröderschen Praxis" abgehen und wieder stärker mit den kleineren
Mitgliedstaaten kooperieren. Auch Pflüger sagte, dass es zwischen Deutschland und Österreich
auf allen Ebenen und in allen Bereichen im Vorfeld der
Präsidentschaft eine enge Abstimmung gebe. Das gelte allein schon für
das Verteidigungsressort, wo sich die Minister Günther Platter (V)
und sein neuer Amtskollege Franz-Josef Jung vor kurzem in Berlin
kennen gelernt und abgestimmt hatten. Dänen warten auf Verfassungs-Vorentscheid
Österreich und Dänemark liegen traditionell
nicht im Mittelpunkt des gegenseitigen Interesses. Die bevorstehende
österreichische EU-Ratspräsidentschaft bildet da keine Ausnahme. Seit
Dänemark im Juni die ursprünglich für September dieses Jahres
vorgesehene Volksabstimmung über die EU-Verfassung auf Eis legte,
herrscht in der öffentlichen Diskussion überdies eine ausgedehnte
EU-Flaute, die nur vorübergehend im September durch die Diskussion
über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und
Kroatien unterbrochen wurde. Laut der dänischen Politologin Lykke Friis gibt es in Dänemark
keine dezidierte Erwartungshaltung an den österreichischen Vorsitz.
Relevant für Dänemark ist vor allem die Frage, ob es im ersten
Halbjahr 2006 zu einer Entscheidung über die Beendigung oder
Fortführung der "Nachdenkpause" zur EU-Verfassung kommt oder nicht,
so Friis im Gespräch mit der APA. Sollten sich die EU-Mitglieder nämlich auf die Umsetzung einer
"Verfassung light" einigen, so stelle sich für Dänemark die Frage, ob
eine Volksabstimmung für einen derartigen Vertrag von der dänischen
Verfassung her überhaupt noch erforderlich ist. Laut Friis gibt es
nämlich Anzeichen, dass das kommende EU-Vorsitzland Österreich und
das übernächste, Deutschland, "bereits an einer entsprechenden
Erklärung basteln". Schweden lässt die Union kalt Ende November hat die Universität Göteborg
gemeinsam mit dem Statistischen Zentralbüro in Stockholm eine Umfrage
veröffentlicht, wonach sich das Interesse der Schweden für
EU-Angelegenheiten "im freien Fall" befindet. Gerade noch 38 Prozent
der schwedischen Wähler machen sich demnach überhaupt noch etwas aus
EU-Fragen. Dieses Desinteresse wirkt sich unmittelbar auch auf die
Erwartungen Schwedens an den EU-Vorsitz Österreichs aus: Im September
kommenden Jahres - rund zweieinhalb Monate nach Ende der
österreichischen Präsidentschaft - finden in dem skandinavischen Land
Parlamentswahlen statt. Die regierenden Sozialdemokraten und die
untereinander in EU-Fragen oft uneinige bürgerliche Opposition machen
schon jetzt keine Anstalten mehr, potenzielle Wähler durch
öffentliche EU-Positionierungen zu verschrecken. Das Antreten der bisher nur in Brüssel existierenden,
EU-kritischen "Juniliste" bei den Reichstagswahlen verstärkt nach
Ansicht des Politologen Sören Holmberg von der Universität Göteborg
diesen Effekt noch zusätzlich. Dies wirkt sich auch auf die
Medienberichterstattung aus, in der derzeit weit gehende Flaute in
der EU-Debatte herrscht. "Nicht eine einzige der Parteien wagt jetzt,
im Jahr vor der Wahl, eine lebhafte Diskussion über EU-Themen. Das
ist nichts, womit man Stimmen gewinnt", meint etwa EU-Kommentator
Mats Hallgren von der Tageszeitung "Svenska Dagbladet". Wichtig für Schweden als eines der Länder mit dem weltweit
höchsten Anteil an Dienstleistungen am Bruttonationalprodukt wäre ein
möglichst baldiges Abschließen der EU-Dienstleistungsdirektive unter
österreichischem Vorsitz. "Damit könnte Österreich punkten", meint
Hallgren. Erwartungen diesbezüglich scheint es aber in Schweden keine
zu geben: Wirtschaftsminister Thomas Östros sagte jüngst, er rechne
mit einem Abschluss der Direktive frühestens unter finnischem Vorsitz
im Herbst 2006. Den Ratifizierungsprozess der EU-Verfassung im Reichstag hat
Schweden bis auf weiteres gestoppt. Es gibt momentan keinerlei
öffentliche Diskussion, diesen Prozess vor dem allfälligen Ende der
"Nachdenkpause" unter österreichischem Vorsitz wieder zu aktivieren. Finnland sitzt im gleichen Boot Finnland und Österreich haben unter Beteiligung
der jeweiligen Ministerien für das Vorsitzjahr 2006 unter
Berücksichtigung der jeweils eigenen Schwerpunkte ein gemeinsames
Arbeitsprogramm ausgearbeitet. Dieses ist am 19. Dezember offiziell
in Brüssel präsentiert worden. In Helsinki wird im Zusammenhang mit dem gemeinsamen
Rahmenprogramm immer wieder betont, dass die Gestaltung des
finnischen Vorsitzes in hohem Maße davon abhänge, welche der
zentralen Fragen von den Österreichern abgehakt werden können.
Hinsichtlich des EU-Budgets ist zwar die Einigung der 25
Mitgliedstaaten erreicht, nun muss sich der Ratsvorsitz aber noch um
eine Verständigung mit dem Europaparlament bemühen. Finnland hofft,
dass dies bereits im ersten Halbjahr gelingen wird. Dagegen beginnt man sich in Helsinki damit abzufinden, dass die
Dienstleistungsrichtlinie der EU kaum unter österreichischem Vorsitz
unter Dach und Fach gebracht werden kann. Auf die Finnen warten in
der zweiten Hälfte 2006 weitere schwierige Aufgaben, wie zum Beispiel
die Entscheidung über den Schengen-Beitritt der neuen
Mitgliedstaaten. Bezüglich der Frage der EU-Verfassung ist in Finnland durchaus
eine gewisse Erwartungshaltung zu spüren. Regierungspolitiker,
darunter Ministerpräsident Matti Vanhanen und Außenminister Erkki
Tuomioja, haben angedeutet, dass sie die Unionsverfassung gerne noch
während der österreichischen Präsidentschaft vom Parlament in
Helsinki ratifiziert sehen möchten. Ein entsprechender Aufruf an sein
Heimatland kam vergangene Woche auch von EU-Erweiterungskommissar
Olli Rehn. Spätestens nach einem Ende der "Nachdenkpause" -
gegebenenfalls auf einem Gipfel unter österreichischem Vorsitz - soll
dieser Schritt erfolgen. Über das vor allem auf Beamten- und Ministeriumsebene erstellte
gemeinsame Arbeitsprogramm mit Österreich sind finnische Politiker
offiziell voll des Lobes. So hob etwa EU-Staatssekretär Antti
Peltomäki das Programm im September als Pioniertat in Richtung
künftiger Teampräsidentschaften hervor. Hinter vorgehaltener Hand
räumen finnische Verhandler gelegentlich ein, dass es bei den
Arbeitssitzungen durchaus auch "Kulturunterschiede" gegeben habe. Sollten Finnland Zeit und Ressourcen bleiben, sich eigenen Themen
zu widmen, so werden dies insbesondere die Neuauflage der
auslaufenden "Nordischen Dimension" der EU und das Verhältnis der
Union zu Russland sein. Weitere bevorzugte Themen der Finnen sind die
Lissabon-Strategie, durch die die EU bis 2010 zum
wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden soll,
sowie eine Stärkung von Transparenz und Medienfreundlichkeit der EU. Balten drängen auf den EU-Arbeitsmarkt Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und
Litauen haben als neue EU-Mitglieder, als ehemalige Sowjetrepubliken,
durch ihre Nachbarschaft sowie als vergleichsweise "kleine"
EU-Mitglieder viel gemeinsam. Eine dieser Gemeinsamkeiten betrifft
auch die Beschränkung der meisten EU-Arbeitsmärkte für neue
Mitglieder, deren erste Frist am 1. Mai 2006 ausläuft. Ende November sandten die drei Länder gemeinsam mit Polen, der
Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn eine gemeinsame Erklärung
an die Kommission, in der sie auf ein Ende der Übergangsbestimmungen
drängen. Derzeit haben nur Großbritannien, Irland und Schweden keine
Arbeitsmarktbeschränkungen für Staatsbürger aus den zehn neuen
EU-Mitgliedern. Finnland und Spanien haben bisher in Aussicht
gestellt, schon kommendes Jahr ihre Arbeitsmärkte für alle EU-Bürger
öffnen zu wollen. Das kommende EU-Vorsitzland Österreich will die
Beschränkungen selbst derzeit bis mindestens 2009 aufrecht erhalten. In Österreich gibt es Bedenken wegen der erwarteten starken
Zuwanderung von Arbeitskräften aus den Nachbarländern Tschechien,
Slowakei, Ungarn und Slowenien. Laut einer Ende November in
Großbritannien veröffentlichten Statistik haben sich seit der
jüngsten EU-Erweiterung rund 293.000 Bürger aus den neuen EU-Staaten
im Vereinigten Königreich um eine Arbeit beworben, davon knapp ein
Viertel aus den baltischen Staaten. Ein weiteres, für das Baltikum wichtiges Thema im kommenden Jahr
ist die Euro-Einführung. Estland und Litauen wollen Anfang 2007
ebenso wie Slowenien die europäische Einheitswährung einführen - die
definitive Entscheidung, ob diese Länder die Kriterien für die
europäische Einheitswährung erfüllen, wird jedoch erst nach dem
österreichischen Vorsitz fallen. Für Lettland und Estland von höchster Priorität ist eine
gemeinsame EU-Nachbarschaftspolitik gegenüber Russland. Die beiden
Länder, deren Bevölkerung zu jeweils grob einem Drittel aus
Russischsprachigen besteht, wollen mit Unterstützung der EU Moskau zu
einem baldigen Abschluss der Grenzverträge bewegen, durch die auch
die EU-Außengrenze festgelegt wird. Russland hat die Ratifizierung
der fertigen Verträge wegen einseitiger Erklärungen Tallinns und
Rigas, die auf die Kontinuität beider Länder mit den Republiken der
Zwischenkriegszeit verweisen, abgelehnt. Moskau sieht darin einen
Vorbehalt künftiger Restitutionsansprüche gegenüber Russland. Die baltischen Regierungen gehören zu den unbedingten Verfechtern
der derzeit auf Eis liegenden EU-Verfassung. Litauen und Lettland
haben die EU-Verfassung bereits vor der verordneten "Nachdenkpause"
in ihren Parlamenten ratifiziert, Litauen als erstes EU-Mitglied
überhaupt. In Estland wird demnächst die Entscheidung einer
Juristenkommission darüber erwartet, ob die Ratifizierung des
Vertragswerks durch das Parlament (Riigikogu) verfassungsmäßig ist.
Laut Informationen aus Kreisen der Juristenkommission dürfte es
Grünes Licht geben. Anschließend ist eine politische Entscheidung
über den Zeitpunkt der Abstimmung notwendig. Derzeit geht man in
Tallinn davon aus, dass frühestens im Frühjahr - also möglicherweise
unter Österreichs Ratsvorsitz - abgestimmt wird. Entscheidung für Bulgarien und Rumänien Für Bulgarien und Rumänien hängt von der
österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 sehr
viel ab. Im Frühjahr entscheiden die EU-Staaten nämlich, ob das
geplante Beitrittsdatum 1. Jänner 2007 um ein Jahr verschoben wird.
Österreich werde den Reformprozess in den beiden Ländern "sehr
sorgfältig verfolgen", zitierte die bulgarische Tageszeitung "Sega"
Außenministerin Ursula Plassnik (V). Die beiden Kandidatenländer hoffen daher, dass Österreich sich
nicht von der in Umfragen ausgewiesenen Erweiterungsskepsis seiner
Bürger beeindrucken lassen und bei Rumänien und Bulgarien auf der
Bremse stehen wird. Die Union hat einen zeitgerechten Beitritt davon
abhängig gemacht, dass Bulgarien und Rumänien geforderte Reformen,
insbesondere in den Bereichen Justiz, Kampf gegen Korruption,
Kriminalität und illegale Einwanderung, umsetzen. Beobachter schließen nicht aus, dass bei der Entscheidung über
eine Beitrittsverschiebung auch die allgemeine politische Lage in der
Union mitspielen könnte, die nach dem vorläufigen Scheitern ihrer
Verfassung und verbreiteter Erweiterungsskepsis nicht rosig ist.
"Auch wenn in Europa in der letzten Zeit ein Reflexionsprozess, eine
gewisse Nachdenklichkeit über die europäische Politik im allgemeinen,
einschließlich über die Erweiterung, eingesetzt hat, darf sich das
nicht negativ auf Rumänien und Bulgarien auswirken", sagte die
rumänische Europaministerin Anca Boagiu kürzlich. In bulgarischen Zeitungen wurden jüngst "alarmierende Signale" von
den EU-Staaten wahrgenommen. So schrieb "Dnevnik" kürzlich, dass
Österreich Kritik am Kampf der bulgarischen Behörden gegen
Kinderhandel geübt habe und sich der belgische Außenminister Karel De
Gucht für eine Verschiebung des Beitrittstermins ausgesprochen habe.
Bulgarien, das die längste Zeit die bessere Bilanz bei der Umsetzung
von EU-Recht hatte, ist im vergangenen Jahr gegenüber Rumänien etwas
ins Hintertreffen geraten. Im Sommer war das Parlament nämlich wegen
Parlamentswahl und Regierungsbildung monatelang blockiert. Allerdings
ist Bulgarien insofern in einer komfortableren Position, als sein
Beitrittsdatum von den EU-Staaten nur mit einstimmigem Beschluss
verschoben werden kann, während bei Rumänien die qualifizierte
Mehrheit ausreichen würde. Als vordringlichstes Ziel haben Bulgarien und Rumänien die
Ratifizierung des bereits im Frühjahr 2005 unterzeichneten
Beitrittsvertrags durch alle nationalen Parlamente ins Auge genommen.
Bisher ist der Vertrag erst von acht der 25 EU-Staaten ratifiziert
worden. Alle müssen zustimmen, damit der Beitritt tatsächlich
zustande kommt. Sofia und Bukarest wollen diesbezüglich gemeinsam
vorgehen und planen intensive diplomatische Kontakte mit den
EU-Staaten. Besonders bauen die Beitrittsstaaten auf die Vorbildwirkung
Österreichs als EU-Ratspräsidentschaft bei der Ratifizierung.
ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka hat nach Angaben der
bulgarischen Nachrichtenagentur BTA bei einem Besuch in Sofia im
November die Ratifizierung des Beitrittsvertrags durch das
österreichische Parlament noch für das erste Halbjahr 2006 in
Aussicht gestellt. Serbien-Montenegro hat große Hoffnungen Serbien-Montenegro setzt große Hoffnungen in die
österreichische EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006. Man
sehe Österreich nicht nur als "freundschaftliches Land", sondern auch
als Brücke zwischen Ost und West, sagte Staatspräsident Svetozar
Marovic Ende November bei einem Wien-Besuch. Seit Monaten
unterstreichen zahlreiche Politiker die Bedeutung, die sie dem
Ratsvorsitz Österreichs beimessen. Für Belgrad stehen in den kommenden sechs Monaten intensive
Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Stabilisierungs-
und Assoziationsabkommen (SAA) auf dem Programm. Außerdem spielt die
EU eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen über den künftigen
Status der südserbischen Provinz Kosovo, die seit 1999 unter
UNO-Verwaltung steht. In Montenegro soll schließlich bis April ein
Referendum über einen möglichen Austritt aus dem Staatenbund
stattfinden. Von den starken Ressentiments Österreich gegenüber, die in Belgrad
während seines ersten EU-Vorsitzes 1998 zu spüren waren, ist seit der
politischen Wende vor gut fünf Jahren keine Spur mehr. Ganz im
Gegenteil: Österreich ist eines jener Länder, mit denen
Serbien-Montenegro die größte Verbesserung der bilateralen
Beziehungen verzeichnen konnte. "Belgrad hat guten Grund, dem österreichischen EU-Vorsitz
optimistisch entgegenzublicken. Neben einer weiteren Entwicklung der
bilateralen Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen kann
Serbien-Montenegro auch damit rechnen, dass Österreich die Bemühungen
des Westbalkans um eine beschleunigte EU-Integration sehr gut wird zu
vertreten wissen", sagte Milan Pajevic, Leiter des
Außenpolitik-Ausschusses der G17-plus-Partei, gegenüber der APA. Von
größter Bedeutung werde die Hilfe Österreichs bei den von der EU
geforderten Reformen sein. Pajevic forderte Österreich auf, gleich zu Jahresbeginn die
SAA-Verhandlungen in einen serbischen und einen montenegrinischen
Teil zu trennen. Dadurch würde man verhindern, dass es bei einem
Austritt von Montenegro aus dem Staatenbund zu einem Zeitverlust
kommt. Auch sollte die EU ihren strengen Visumszwang für
serbisch-montenegrinische Bürger aufweichen, zumindest gegenüber
Studenten und Unternehmern. Österreich könnte laut Pajevic auch wichtige Akzente in der
Kosovo-Frage setzen. Schließlich gehören dem Team des
UNO-Chefverhandlers Martti Ahtisaari mit Albert Rohan und Stefan
Lehne zwei Österreicher an. Einerseits sollte man den Belgrader
Politikern vor irrealen Erwartungen und Versprechen an die Bürger
abraten, da das Kosovo politisch bereits von Belgrad unabhängig sei.
"Den Politikern im Kosovo soll andererseits gesagt werden, dass die
Unabhängigkeit nicht auch bedeute, dass man unabhängig von
internationalen Normen und Prinzipien der europäischen Zivilisation
leben könne und dass ein demokratisches, zivilisiertes und
verantwortungsbewusstes Verhalten die Vorbedingung für die
Selbstständigkeit sei." Das Verantwortungsbewusstsein der
Kosovo-Politiker sei am Verhalten gegenüber den Minderheiten zu
messen. Pajevic glaubt, dass Österreich für Serbien eine ähnlich starke
Rolle wie für Kroatien spielen könnte. "Österreich hat am Beispiel
Kroatiens seine bewunderungswürdigen lobbystischen Fähigkeiten
bewiesen. Serbien könnte trotz klarer Unterschiede versuchen, sich um
eine ähnliche Aktion Österreichs zu bewerben." Kroatien hofft auf weitere Unterstützung In Kroatien blickt man der bevorstehenden
österreichischen EU-Ratspräsidentschaft sehr positiv entgegen. Das
verwundert nicht weiters, hatte es Ministerpräsident Ivo Sanader
(Kroatische Demokratische Gemeinschaft/HDZ) doch nicht zuletzt
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Ursula Plassnik
(beide V) zu verdanken, dass sein Land die Beitrittsgespräche bereits
in der Tasche hatte, bevor General Ante Gotovina Anfang Dezember
wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen an das UNO-Tribunal überstellt
wurde. Schüssel und Plassnik durften sich bestätigt fühlen, dass sie vor
dem 4. Oktober "hinter den Kulissen" stark für Kroatien lobbyiert
hatten. Daher ist zu erwarten, dass die Unterstützung fortgesetzt
wird. Kein Wunder also, dass Damir Grubisa, Professor für Europäische
Integration an der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität
Zagreb, vom österreichischen Vorsitz nur "das Beste" erwartet. Premier Sanader glaubt an einen Abschluss spätestens 2008. "Wir
haben das sozialistische Wirtschaftssystem abgelegt, um die Folgen
des Krieges zu bewältigen", sagte er unlängst, "wir haben den Weg der
Versöhnung eingeschlagen und die Eingliederung der Minderheiten
gefördert". Kroatien sei daher für die EU "bereit". Bis zum Jahresende wolle Kroatien bereits sieben der 35
Verhandlungskapitel abschließen, darunter die Themen Wissenschaft und
Forschung, Bildung und Kultur. Das Kapitel "Landwirtschaft" -
(Sanader: "Eines der schwersten und vor allem für unsere Bauern
schmerzvollsten Kapitel") wurde nach Angaben des Premiers im Dezember
angegangen. "Österreich hat schon eine besondere Sensibilität für Kroatien,
und ich erwarte von Österreich auch auf bilateralem Niveau Hilfe,
damit ein erfolgreicher Abschluss der Beitrittsverhandlungen so früh
wie möglich erzielt werden kann", sagte Grubisa. Er sieht den
österreichischen Vorsitz als eine gute Chance für die allgemeine
Stabilisierung in ganz Südosteuropa. "Österreich ist ein Land mit
besonderer Sensibilität für diesen Raum. Man weiß dort um seine
Geschichte Bescheid, und darum kann man positive Initiativen
erwarten." Die Leiterin der Abteilung für EU-Integrationen am Zagreber
Institut und ehemalige stellvertretende Ministerin für Europäische
Integration in Kroatien, Visnja Samardzija, erwartet vom
österreichischen Vorsitz für Kroatien ebenfalls positive Aspekte.
"Schon vor dem Beginn der Beitrittsverhandlungen hat Österreich
gesehen, dass Kroatien darauf gut vorbereitet ist. Ich glaube, dass
sich der österreichische Vorsitz für Zagreb gut auswirken wird", so
Samardzija. Positive Impulse Österreichs für die Beitrittsverhandlungen
erwartet sich Kroatien auch, weil die beiden Länder schon jetzt
wirtschaftlich eng verflochten sind. Mit einem Investitionsvolumen
von 3,1 Milliarden US-Dollar (2,59 Mrd. Euro) und einem Anteil von 25
Prozent aller Auslandsinvestitionen ist Österreich mit Abstand der
größte Auslandsinvestor in Kroatien. Die oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) meinen hingegen, dass
Österreich Kroatien schon genug geholfen habe. "Man kann nicht mehr
erwarten, als das, was Österreich dieses Jahr schon für Kroatien
bezüglich der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen getan hat", sagte
SDP-Außenpolitiksprecher Zoran Milanovic. Er glaubt jedoch, dass sich
Österreich in der ersten und Finnland in der zweiten Jahreshälfte
2006 um EU-Themen kümmern werden, die für Kroatien von besonderer
Bedeutung sind. "Das sind es Fragen wie die Finanzierung oder das
sozio-ökonomische Modell, die ziemlich bald interessant werden." (APA)