Wien/Berlin – Mit der Regentschaft von Charles II kam im 17. Jahrhundert ein neuer Geist der Freiheit nach London. Für den Bühnenstar Ned Kynaston (Billy Crudup) aber erweist sich der Fortschritt als Rückschlag. Ned ist ein gefragter Frauendarsteller. Seine Zeit läuft ab, als Charles II per Gesetz verfügt, dass Frauen nicht länger von Männern gespielt werden müssen. Der Kostümfilm "Stage Beauty" von Richard Eyre erzählt die Geschichte von Ned und seiner Ankleiderin Maria (Claire Danes) als bittersüße Romanze. Zwei US-Stars suchen zwischen britischen Charakterdarstellern nach ihrem Stil. Rupert Everett, der Charles II spielt, kennt beide Welten – er ist in Hollywood aber nie richtig heimisch geworden. Im Interview an einem Spätsommertag in Berlin zeichnet er ein überraschend negatives Bild von seinem Metier.
STANDARD: Mr Everett, Sie haben seit Stage Beauty bereits sieben weitere Filmprojekte auf Ihrer Liste. Im nächsten Jahr werden Sie in der Komödie The Great Farrell zu sehen sein. Da müssen Sie ja ständig unterwegs sein. Woher sind Sie denn eingeflogen?
Rupert Everett: Ich bin schon seit einem Monat hier.
STANDARD: Das klingt nach
mehr als nach einem Urlaub.
Everett: Ich lebe für eine Weile in Berlin. Es ist eine sehr erfrischende Stadt. Es ist nicht
so geldbesessen wie der Rest
von Europa und hat deswegen
eine Qualität bewahrt, die der
Rest von unseren Städten
nicht mehr hat – in der Zeit
von Chirac und Thatcher.
STANDARD: Was haben der französische Präsident und die
ehemalige britische Premierministerin angerichtet?
Everett: Sie haben das Gesicht
von Europa verändert. Als ich
zum ersten Mal nach Paris
zog, hatte Chirac gerade das
große Loch in Les Halles geschlagen – ein mittelalterlicher Teil der Stadt wurde mit
übler Architektur überzogen,
nur um Geld für seine Freunde
zu machen. Das war skandalös, und es war ein Ende. Danach war Paris nicht mehr so,
wie ich es kannte.
STANDARD: Und London nach
Thatcher nicht mehr so wie
London vor Punk?
Everett: Meine Zeit begann
ein, zwei Jahre vor Punk. Ich
kam 1976 nach London, drei
Jahre vor Thatcher. Diese beiden Phänomene gehören zusammen.
STANDARD: Stage Beauty
spielt im alten London. Was hat
Sie bewogen, den Part von
Charles II zu übernehmen?
Everett: Es ist eine sehr gute
Rolle. Man muss dafür nicht
viel arbeiten, weil sie so gut
geschrieben ist. Sie hat alles,
was ich brauche, ich muss
nicht versuchen, mühsam etwas herauszuholen.
STANDARD: Sie sind seit mehr
als zwanzig Jahren im Filmgeschäft. Ihren "Durchbruch"
hatten Sie 1984 mit Another
Country. Wie sind Ihre Erinnerungen daran?
Everett: Das war sehr wichtig
für mich. Ein Freund hat den
Film produziert, ich war
schon in der Bühnenfassung.
Ich habe danach eine Menge
anderer Jobs bekommen – für
eine Weile.
STANDARD: Läuft es jetzt nicht
mehr so gut?
Everett: Ich habe aufgehört zu
arbeiten, um ehrlich zu sein.
Ich will nicht mehr so viel
schauspielern.
STANDARD: Wie kommt das, wo
Sie anscheinend permanent
arbeiten?
Everett: Es ist ein wenig langeilig! Es geht nicht um das
Drehen, es geht darum, Arbeit
zu bekommen und sich im Geschäft zu halten. Das interessiert mich nicht mehr.
STANDARD: Die Menschen
möchten sich manchmal vorstellen, wie ein Filmstar im
richtigen Leben so ist. Sind Sie
vielleicht in der Rolle, die Sie in
My Best Friend's Wedding gespielt haben, wiederzufinden?
Everett: Nein, das trifft nicht
zu. Das ist eine sehr amerikanische Geschichte. Mein Hintergrund ist doch sehr anders.
Aber es ist eine gute Hollywoodkomödie, wenn man bedenkt, wie schlecht die meisten sind. Sie ist individuell.
STANDARD: Stage Beauty erinnert ein wenig an den Erfolgsfilm Shakespeare in Love.
Wie kamen Sie mit den viel gescholtenen Weinsteins aus?
Everett: Ich war nur zwei Tage
dort. Bob und Harvey Weinstein sind hart in der Zusammenarbeit. So sind sie eben.
Das muss ich akzeptieren.
Wenn ich anfange zu überlegen, ob das gut oder schlecht
ist, komme ich in Schwierigkeiten. Für Filmemacher sind
sie sicher hart zu verkraften.
Ich möchte nicht im Schneideraum mit ihnen zu tun haben. Sie machen geniale und
desaströse Dinge, der Mix
zeichnet sie aus. Sie haben
Charakter. Manchmal ist es
auch schlechter Charakter.
Harvey raucht im Flugzeug
und lässt sich dafür verhaften!
Sie sind eine Macht.
STANDARD: Bevorzugen Sie persönlich europäische Filme?
Everett:Das ist mir kein Anliegen.
STANDARD: Was wäre notwendig, um Sie wieder mehr fürs
Kino zu begeistern?
Everett: Eine gute Rolle.
STANDARD: Sind Sie zu sehr
durch ein Image definiert?
Everett: Ich habe das Bedürfnis, mich zu entdefinieren.