Madrid/Rabat - Eine vom marokkanischen König eingerichtete Wahrheitskommission, die "Instanz für Fairness und Aussöhnung" (IER), veröffentlichte am Wochenende eine erste Zusammenfassung des Abschlussberichtes ihrer Arbeit. Das Dokument beschäftigt sich mit den "bleiernen Jahren", die Zeit in der Hassan II., der Vater des derzeitigen Monarchen Mohammed VI., sein Land mit harter Hand regierte.

592 Menschen kamen laut IER zwischen 1959 und 1999 ums Leben und mehr als 600 verschwanden spurlos in den Händen der Geheimdienste, Armee oder Polizei. 16.861 Dossiers füllen die Akten der IER. In 9.779 Fällen wurde bisher Entschädigungen genehmigt. Mit Hilfe der Informationen aus den Anhörungen wurden die Leichen von 663 Menschen gefunden, die bisher als verschwunden galten.

"Durch nichts zu entschuldigen"

"Die Verantwortung des Staates bei den Menschenrechtsverletzungen ist geklärt und durch nichts zu entschuldigen", erklärte IER-Präsident Driss Benzekri, der selbst 17 Jahre als politischer Gefangener inhaftiert war, als er in Rabat den Bericht vorstellte. Die Wahrheitskommission verlangt nun "die Konsolidierung des Rechtsstaates", Reformen im Sicherheitsbereich, in der Justiz und im Umgang mit Häftlingen. Außerdem fordert die Kommission ein Ende der Straffreiheit für die Täter. Die IER durfte zwar die Geschichte der "bleiernen Jahre" aufarbeiten, nicht aber die mutmaßlichen Täter beim Namen nennen oder gar vor Gericht bringen.

Die 17-köpfige IER wurde 2003 von König Mohammed VI. ins Leben gerufen, um "die Wahrheit über die schweren Menschenrechtsverletzungen herauszufinden". Der Abschlussbericht der IER wurde bereits Ende November dem König vorgelegt. Dieser "befahl" jedoch erst jetzt seine Veröffentlichung. Die marokkanische Menschenrechtsgruppe AMDH kritisierte den Bericht als "halbe Arbeit". (DER STANDARD, Printausgabe 19.12.2005)