Stano Filko interpretiert die Welt zwischen "Big Bang" und der Wirkung hinduistischer Chakren.

Foto: Tranzit
Bratislava - Eine riesige Stahlkonstruktion von Stano Filko, die in ihrer Grundstruktur an eine Kathedrale erinnert, verwandelt derzeit den Vorplatz der "Tranzit Werkstätten" in einen auratischen Ort. Dabei vermögen die Werkshallen auf dem ehemaligen Industriegelände im Norden von Bratislava eigentlich nur schwer den Eindruck von ehrwürdigen Kunsttempeln zu vermitteln, in denen das Wahre, Schöne und Gute aufbewahrt wird.

Vielmehr ist auch nach außen hin ziemlich gut sichtbar, dass in den Studios, Ateliers, Vortrags- und Präsentationsräumen vor allem gearbeitet wird. Auch Boris Ondreicka, der Leiter des von der Erste Bank initiierten Förderprogramms "tranzit.sk" betont die prozessorientierte Arbeitsweise des "offenen Kunst- und Kulturzentrums". Neben internationalen Gruppenausstellungen ist den Betreibern aber nicht zuletzt an einer kontinuierlichen Aufarbeitung der slowakischen Kunstgeschichte gelegen, die zwischen 1970 und 1989 vollkommen aus dem internationalen Blickfeld geriet. In einer lose konzipierten Ausstellungsreihe, in der die wichtigsten Vertreter der slowakischen Avantgarde vorgestellt werden, wurde im Frühjahr bereits das umfangreiche uvre von Julius Koller präsentiert.

Jetzt ist Stano Filko mit UP 300.000km/s an der Reihe. Bis in die späten 60er-Jahre gehörte der 1937 geborene Künstler mit seinen Materialassemblagen (Altäre der Realität), seinen HAPPSOC's (Mischform von Aktion, Happening und politischem Manifest), aber auch mit seinen Environments, textbasierten Arbeiten und Installationen zu den international anerkanntesten slowakischen Künstlern. Dass kosmologische und transzendente Fragestellungen in Filkos Schaffen bis heute im Mittelpunkt stehen, zeigt sich vor allem in der Halle, die die riesige "Kathedrale" im Hof plötzlich wie eine minimalistische Skulptur erscheinen lässt. Denn während die Energieflüsse dort noch gebündelter ausgerichtet sind, breitet er im Inneren seine umfassende Interpretation der Geschichte der Welt vom "Big Bang" ausgehend auch über die Wände und den gesamten Fußboden aus. Die Farbe Blau, die den Kosmos symbolisiert, dominiert den ersten Raum, in dem kleine Raketen von der Eroberung des Weltalls erzählen, während er in einem weiteren Raum auch die energetisierende Wirkung der Farben hinduistischer Chakren benutzt, um die spirituelle Dimension der Welt zu begreifen. Daneben lassen Wortschöpfungen, die fernöstliche Philosophien mit physikalischen Gesetzen verknüpfen, die komplexen Zusammenhänge erahnen, die seine Realitätsanordnungen bestimmen.

Dass Stano Filko trotz seiner fortlaufenden Erkundungen sehr wohl um die Konstruiertheit seiner eigenen Kunst und Geschichte weiß, stellte er heuer auch bei der Biennale in Venedig unter Beweis: Als Vertreter der Slowakei erarbeitete er dafür gemeinsam mit den viel jüngeren Künstlern Boris Ondreicka und Jan Mancuska eine aktuelle Version seiner Installation White Space in A White Space, die er 1982 bei der Documenta VII in überarbeiteter Form präsentiert hat. (Christa Benzer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 12. 2005)