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Foto: REUTERS/Christian Charisius
Berlin - Noch hat der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder seinen Aufsichtsratsposten bei jenem russisch-deutschen Konsortium, das für Bau und Betrieb der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline sorgt, gar nicht angetreten - doch die Kritik wird immer lauter. Nach dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) fordert auch der Grüne Fraktionsvize Reinhard Loske, Schröder solle den Pipelineposten sausen lassen, da er sonst mit seinem Verhalten das Ansehen der Politik insgesamt beschädige.

Die FDP hat für Donnerstag eine aktuelle Stunde im Bundestag beantragt, was auch der CSU gut passt. Schröder müsse sich fragen lassen, ob er noch als Bundeskanzler Abmachungen mit dem Konsortium getroffen habe, sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Als Regierungschef hatte sich Schröder für die umstrittene Pipeline stark gemacht. In der Kritik steht Schröder auch, weil das Konsortium (51 Prozent Gasprom, den Rest halten EON und BASF) im Schweizer Steuerparadies Zug registriert ist. Der Koalitionspartner CDU lässt mit seiner Kritik ebenfalls nicht locker. "Es war politisch instinktlos. So etwas tut man nicht", sagt Fraktionsvize Wolfgang Bosbach.

Ehrenkodex gefordert

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast schlug am Dienstag ein fraktionsübergreifendes Gespräch zur Ausarbeitung eines Ehrenkodex für aus dem Amt scheidende Politiker vor. Auch Bundestagsvize Wolfgang Thierse, der sich wie SPD-Fraktionschef Peter Struck von Schröder distanziert hat, brachte eine "Karenzzeit" ins Gespräch: Ein bis drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus der Politik solle Spitzenpolitikern untersagt werden, "dass sie ihr im Amt erworbenes Wissen privatwirtschaftlich verwenden".

Schröder selbst nennt sein Engagement in der Süddeutschen Zeitung "Ehrensache". Über Geld sei überhaupt noch nicht gesprochen worden, die kolportierten 200.0000 bis eine Million Euro Aufwandsentschädigung seien "völlig aus der Luft gegriffen". Und Schröder nannte noch einen Grund für den neuen Job: "Ich will meiner Frau nicht daheim auf den Wecker fallen."

Konzern verteidigt Berufung Schröders in Aufsichtsrat: "Hysterie der Presse"

Der russische Erdgasgigant Gazprom (Gasprom) hat die Kritik an der Berufung des deutschen Alt-Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) an die Spitze des Aufsichtsrates seiner Ostsee-Pipeline-Tochter zurückgewiesen. Einen Tag, nachdem Schröder sich selbst gegen Kritik zur Wehr gesetzt hatte, erklärte Vizevorstandschef Alexander Medwedew am Dienstag in Berlin, die "Hysterie der Presse" deute darauf hin, dass Gegner des Projekts einen Vorwand suchten, es zu torpedieren. Der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern ging unvermindert weiter.

Medwedew sprach auf einem deutsch-russischen Colloquium zur Bedeutung russischen Gases auf den Energiemärkten unter anderem in Europa. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ging als einer der Hauptredner nicht auf die Kritik an Schröder ein. Medwedew erklärte, eine bessere Wahl als Schröder sei "nicht möglich" gewesen. In der Auseinandersetzung darüber müsse man zwischen "militanten Pessimisten" und "konstruktiven Optimisten" unterscheiden.

Bei der Personalie sei es darum gegangen, jemanden zu finden, der die "internationale Aufgabe anpacken und lösen" könne. Außerdem müssten die Konsortialpartner koordiniert werden. In den Beziehungen zur EU könne Schröder zudem eine wichtige Rolle spielen. Die Aktionäre trafen die Wahl laut Schröder schon jetzt, weil für eine Wartezeit von einem halben Jahr keine Spielräume bestanden hätten. In der Wahl sollte auch die Wertschätzung für das Engagement Schröders für die energiewirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland zum Ausdruck kommen. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2005/APA/AP)