Wien - "Mehr Freihandel bedeutet unter dem Strich ein Mehr an Arbeitsplatzchancen, ein Mehr an Wertschöpfung und damit letztlich mehr Wohlstand", betonte Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein (VP) noch kurz vor seiner Abreise nach Hongkong zur sechsten WTO-Ministerkonferenz, die am Dienstag startet.

Was der Minister vor allem in Bezug auf Österreichs Außenhandelsverflechtungen sagt, gilt nach einer neuen Studie der Weltbank nicht unbedingt auch für Entwicklungsländer - zumindest nicht kurz- und mittelfristig und schon gar nicht für alle. Globalisierungskritische Organisationen wie Attac betonen seit Jahren, dass Freihandel nicht automatisch Wohlstandsvermehrung bedeute, nun bestätigt dies ausgerechnet die Weltbank in Washington, die von den Globalisierungskritikern zumeist mit dem Bösen an sich gleichgesetzt wird.

Entwicklungspaket

Eine ehrgeizige Welthandelsrunde mit weit reichenden Zollsenkungen würde in manchen Entwicklungsländern die Armut zunächst nicht beheben, sondern sogar verschärfen. "Deshalb ist zusätzliche Entwicklungshilfe zum Ausbau der Handelskapazitäten dieser Länder nötig", sagte Richard Newfarmer, Wirtschaftsberater der Handelsabteilung der Weltbank in Washington. An einem solchen Entwicklungspaket, das unter anderem dem Aufbau von Handelskapazitäten dienen soll, arbeitet die EU. Japan hat erst am Freitagabend ähnliche Vorschläge mit einer Finanzhilfe von zehn Milliarden Dollar vorgelegt.

Zu den Verlierern könnten laut Weltbank zum Beispiel Länder wie Bangladesch und Mosambik zählen. Die Situation in diesen Ländern könne sich für vier bis fünf Jahre verschärfen, sagte Alan Winters, Direktor der Forschungsabteilung. Reformen in der derzeit laufenden "Doha-Entwicklungsrunde" der WTO dürften sich nämlich vor allem auf Weltmarktpreise und Handelsvolumen von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln auswirken, folgert Winters in der Studie "Armut und die WTO". Vor allem die Preise für die am stärksten subventionierten Agrarprodukte wie Reis, Getreide, Baumwolle oder Rindfleisch dürften damit in die Höhe schießen. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.12.2005)