Während wir ständig daran erinnert werden, wie viele Einkaufstage wir noch vor Weihnachten übrig haben, läuft für Stanley "Tookie" Williams ein wesentlich kürzerer Countdown. Seine Lebenszeit läuft ab, während er darauf wartet, dass der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger über sein Schicksal entscheidet. Williams soll am 13. 12. exekutiert werden.

Am 21. November fuhr ich ins San Quentin Staatsgefängnis, wo ich Williams traf. Ich erwartete, dass er bei unserem Treffen hinter einer Glasbarriere oder hinter Gittern sein würde, wie Karla Fay Tucker oder Gary Graham in den Todeszellen in Texas. Aber ich saß Williams von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

Williams ist groß und muskulös, man sieht, dass er einmal ein Bodybuilder war, er erschien ruhig und mit sich im Frieden. Ich hatte so viele Fragen und wusste, dass meine Zeit mit ihm begrenzt war. Ich erzählte, dass ich kürzlich eine Diskussion über seinen Fall mitverfolgt hatte und dass ich sehr verstört darüber war, als sein Verteidiger erklärte, dass Williams nicht bereit wäre, sich für die Morde, für die er zu Tode verurteilt worden war, zu entschuldigen.

Nicht mit Lüge leben

Ich fragte ihn weshalb? Er antwortete mit ruhiger und gefasster Stimme: "Ich bin unschuldig, ich habe die Verbrechen nicht begangen. Und ich kann nichts bereuen oder für etwas um Verzeihung bitten, das ich nicht begangen habe. Selbst wenn ich mein Leben riskiere, weil ich mich weigere, es zu tun. Ich kann nicht lügen, nur um zu überleben. Zunächst einmal und vor allem anderen, bin ich unschuldig. Es gibt keinen greifbaren Beweis, der mich mit dem Mord in Verbindung bringt."

Ich fragte ihn, weshalb er glaube, dass er verurteilt worden war? "Ich hatte einen schlechten Ruf und dieser Ruf wurde vor Gericht gestellt. Ich war Mitbegründer einer Straßengang, der Crips, und war verschrien, weil ich gewalttätig war und Leute verprügelte. Ich wurde von einer rein weißen Jury zum Tode verurteilt."

Sein Fall, der viel Unterstützung vonseiten religiöser Persönlichkeiten, Nobelpreisträgern, von der Prominenz und internationalen Leitfiguren bekam, hat die Debatte um Amerikas barbarische, mittelalterliche und völlig veraltete Politik, an der Todesstrafe festzuhalten, wieder entflammt.

Stanley Tookie Williams Leben hängt von Arnold Schwarzenegger ab, dem Gouverneur von Kalifornien, der die Macht hat, das Urteil aufzuheben, wenn er glaubt, dass Williams rehabilitiert ist, keine weitere Gefahr für die Gesellschaft darstellt und Reue gezeigt hat. Außerdem kann der Gouverneur eine Gnadenfrist erlassen, innerhalb der es Williams Anwalt gestattet ist, eine Discovery Motion beantragen um "Beweise, die während seines Verfahrens bekannt wurden, vorzulegen, die aber von der Anklage nicht zugelassen wurden und weiter unterdrückt werden".

Die geplante Exekution von Williams wirft nur ein Schlaglicht auf das löchrige Justizsystems Kaliforniens. Drei Männer stehen kurz vor ihrer Exekution durch die Todesspritze: Ihre Verurteilungen basieren auf den Aussagen unzuverlässiger Informanten, auf Praktiken, die auf rassistischen Vorurteilen beruhen, oder auf einer mangelhafte rechtliche Vertretung. Todesurteile in Kalifornien werden weiterhin auf Basis von diskriminierenden Praktiken und einer Rechtsrepräsentanz, die nicht dem Standard entspricht, gefällt. Kalifornien kennt kein formelles System des Rassenrepräsentanz weder vor dem Strafgericht noch am Obersten Gerichtshof des Staates. Als Ergebnis davon gibt es keinen Mechanismus, um rassistische Diskriminierung vor ein staatliches Gericht zu bringen. Dies schafft fruchtbaren Boden für die Institutionalisierung rassistisch bedingter Handlungsweisen.

Und es gibt kaum Zweifel darüber, dass ein kompetenter Anwalt bei Schwerverbrechen den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen kann. Manchmal werden Angeklagte zum Tode verurteilt, nicht weil sie die schwersten Verbrechen begangen haben, sondern weil sie die schlechteren Anwälte hatten.

Die Kommission

Der kalifornische Senat setzte eine Kommission ein zur Überprüfung der Fairness im Justizsystem. Die Kommission hat zwei Jahre Zeit, Probleme im Justizsystem aufzuzeigen, die zu Fehlurteilen und falschen Exekutionen führen können. Sie soll Vorschläge unterbreiten, was notwendig ist, um das Justizsystem des Staates fair und treffsicher zu machen.

Gouverneur Schwarzenegger muss Respekt vor dem laufenden Prozess zeigen, es wäre unhaltbar, nur eine weitere Person zu exekutieren, während das Justizsystem in Kalifornien einer kritischen Überprüfung unterzogen wird.

Ich fordere Gouverneur Schwarzenegger auf, Gnade walten zu lassen und sein Urteil in lebenslang ohne Bewährung umzuwandeln. Ich hoffe er wird erkennen, dass die Fähigkeit des Menschen sich zu ändern und Einsicht zu zeigen es uns allen möglich macht, bessere Menschen zu werden. Stanley Tookie Williams umzubringen, würde nur den Kreis der Gewalt schließen und das Licht der Erlösung auslöschen, das in uns allen existiert. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2005)