Umfragen sind ein vertracktes Geschäft. Es kommt auf Fragestellungen an und mitunter auch auf den Auftraggeber für eine Meinungsforschung bei der geneigten Wählerschaft. Nach diesen Parametern können Stimmungslagen und Studienergebnisse durchaus auch variieren. Und insofern relativieren sich die jüngsten Umfragenerfolge der britischen Konservativen, stehen doch das Tory-Sprachrohr Sunday Telegraph und die Sunday Times des nicht eben als links-progressiv verschrienen Medientycoons Rupert Murdoch dahinter.

Andererseits: Auch in diesen konservativen Blättern war über Jahre nichts über eine Führungsposition der Tories beim Wahlvolk zu lesen. So gesehen hat sich - bei aller Vorsicht - mit dem Amtsantritt von David Cameron offenbar doch etwas getan. Das unschuldige Lächeln von Tony "Bambi" Blair scheint zu verblassen. In das Gesicht des Premierministers haben sich nach acht Jahren Regierungszeit Falten eingekerbt, die meisten davon wohl wegen des Irakkrieges. Tory-Chef Cameron dagegen strahlt vorerst noch makellos. Und er predigt - erstaunlicherweise mit von George W. Bush entlehnten Begrifflichkeiten - einen "mitfühlenden Konservativismus", um die Briten nicht mit jener fallbeilscharfen Gnadenlosigkeit zu verschrecken, die den Tories seit Margaret Thatchers Zeiten anhaftet.

Tony Blairs Schwäche, scheint es, ist David Camerons Stärke. Und macht der keine groben Fehler - etwa jenen, sich irgendwie inhaltlich festzulegen -, dann könnte Downing Street 10 für ihn in greifbare Nähe rücken. Allerdings, bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2010 ist es noch eine Zeit lang hin. Bis dahin werden sich auch Schatten über das frische Gesicht des Tory-Chefs gelegt haben. Tritt er dann gegen den verkniffenen schottischen Schatzkanzler Gordon Brown an oder vielleicht doch gegen einen ewigen Premier Blair, wird er etwas mehr als einen ersten Aufwind aus konservativen Blättern brauchen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.12.2005)