"Mosaik im Vertrauen" Peter Kubelka, 1955

Foto: Filmmuseum
Wien – Zurück an den Anfang: Eine junge Frau läuft in ihrem Wohnhaus mit dem Lift um die Wette. In der Wohnung angekommen, gibt es Pasta und Rotwein. Parallel zur Essenszubereitung wird die Küchentür gut abgedichtet. Schließlich wird die Enge der Räume und Konventionen buchstäblich aufgesprengt. Die junge Frau heißt Chantal Akerman, später wird sie mit Arbeiten wie Jeanne Dielman zu einer international beachteten Regisseurin, damals ist sie 18 Jahre alt und ihr erster Film, der sich bereits anarchisch mit weiblich konnotiertem Alltag auseinander setzt, heißt Saute ma ville (1968).

Auch Lars von Triers Abschlussfilm an der Dänischen Filmhochschule weist aus heutiger Sicht bereits thematische und formale Charakteristika auf: Befrieselsbilleder/Bilder der Befreiung (1982), knapp eine Stunde lang, erzählt von Schuld und Sühne.

Der Protagonist ist ein Wehrmachtssoldat, der 1945 in Kopenhagen, kurz nach der Befreiung, auf seine ehemalige dänische Geliebte trifft. Allerdings geht es weniger um eine psychologische denn um eine metaphorische Inszenierung dieser Konstellation, die der Film mit Archivbildern konfrontiert. Die Reaktionen waren geteilt – und schon damals erwies sich der Regisseur als streitbarer Verfechter eines nicht mehrheitsfähigen Standpunkts.

Die Reihe "Rohstoff", die Dietmar Schwärzler und Sylvia Szely für das Österreichische Filmmuseum kuratieren, stellt bis 10. 12. mit diesen beiden sowie weiteren Arbeiten von Ulrich Seidl, Charles Burnett oder John Woo diesmal eine Auswahl von Frühwerken vor, die "In and Out of School" entstanden sind.

Rohstoff begibt sich in insgesamt fünf Teilen (und dem gleichnamigen, ausnehmend schön gestalteten Fanzine) auf die Suche nach der kleinen Form, nach Kurzfilmen, nicht kanonisierten "Nebenwerken", die zum Beispiel am Anfang von Arbeitsbiografien stehen oder – wie in der letzten Ausgabe vergangenen Mai – auf Super-8, einem minoritären Material, entstanden sind.

"Deklassiertes" Format

Ein anderes Filmformat, das langsam verschwindet, wird derzeit im Rahmen einer Sonderschau des Museums Moderner Kunst gewürdigt: Einseitig perforiert, schmaler Steg, zusammengestellt von Antje Ehmann und Harun Farocki, zeigt "Filme auf 16 mm", produziert in (West-)Deutschland in den 60er- bis 90er-Jahren. Und auch dabei gelangen nicht wenige Werke zur Aufführung, die, zumindest hier zu Lande, abseits des filmhistorischen Repertoires lagern.

Nicht zuletzt erinnert die Reihe an die Bedeutung, die das unaufwändigere Format in den 70er-Jahren für das politisierte Filmschaffen von Regisseurinnen hatte: Der Dokumentarfilm Von wegen Schicksal (1979) von Helga Reidemeister etwa beschreibt – in großer Nähe zur Protagonistin Irene Rakowitz, 48, vier Kinder, geschieden, "schwer beschädigt", Sozialhilfeempfängerin – die Folgen eines individuellen Bewusstwerdungsprozesses, der gesellschaftliche Konflikte offen legt, mit vermeintlichen Sicherheiten bricht und dabei doch heftig an neue Grenzen stößt.

Elfi Mikesch setzte dagegen in Ich denke oft an Hawaii (1978) neben der Realität ihrer sechzehnjährigen Protagonistin Carmen auch deren Träume und Sehnsüchte ins Bild – und fast lässt sich so ein Kreis zu Akermans frühen filmischen Fantasien schließen. (DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.12.2005)