Wien - Das Außenministerium hat erneut eine "lückenlose Aufklärung" der Visa-Affäre zugesichert und "weitere Maßnahmen" angekündigt. Gleichzeitig hält das Ministerium an der Auffassung fest, dass es sich um Einzelfälle handle. "Es handelt sich um einzelne Vertretungsbehörden und (...) um einzelne Fälle in einzelnen Vertretungsbehörden", sagte der Generalsekretär des Außenministeriums, Johannes Kyrle, am Dienstag auf einer Pressekonferenz.

Es liefen "weitere dienstrechtliche Ermittlungen" gegen Mitarbeiter der österreichischen Auslandsvertretungen, sagte Kyrle. Derzeit würden gemeinsam mit dem Innenministerium Prüfteams zusammengestellt, die "in den nächsten Wochen" an Auslandsvertretungen entsandt werden sollen. Die Prüfteams sollen die Einhaltung der Vorschriften im Visa-Bereich kontrollieren. In Zukunft wolle man auch verstärkt Experten des Innenministeriums einsetzen, die die Auslandsvertretungen bei der Prüfung der Echtheit von Dokumenten unterstützen sollen, teilte Kyrle mit.

Weiters sei ein Maßnahmenpapier erarbeitet worden, das auch schon umgesetzt werde, sagte Kyrle weiter. Das Papier soll die Optimierung von Personal- und Kontrollmaßnahmen gewährleisten. Ein besonderes Augenmerk soll auf Personalrotation im Konsularbereich gelegt werden; auch die konsularische Ausbildung und Kontrolle an den Vertretungen soll verbessert werden.

Die zur Untersuchung der Affäre eingesetzte Untersuchungskommission des Außenministeriums sei "vollkommen unabhängig" und "vollkommen weisungsfrei", betonte Kyrle. Alle Mitarbeiter des Ministeriums seien aufgefordert worden, mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Ein erster Zwischenbericht des Gremiums könne vermutlich "im Laufe des Monats Jänner" erwartet werden.

Kyrle: Über 99 Prozent der Visa korrekt ausgestellt

Pro Jahr stellten die österreichischen Behörden 400.000 Visa aus, sagte Kyrle. "Weit über 99 Prozent der ausgestellten Visa sind korrekt ausgestellt worden", betonte der Generalsekretär im Außenministerium. Allen Vorwürfen, dass Visa unrechtmäßig ausgestellt worden seien, sei vom Außen- und Innenministerium "jeweils sofort nachgegangen" worden.

Unter Verweis auf eine Reihe von Inspektionen zwischen November 2002 und Jänner 2004 wies Kyrle den Vorwurf zurück, das Außenministerium habe die Visa-Vergabe in Kiew nicht ausreichend geprüft. Es stimme auch nicht, dass Veränderungen in der Visa-Statistik von Seiten des Außenministeriums unberücksichtigt geblieben seien. "Diese Änderungen waren entweder unverdächtige Rückgänge oder es waren leicht erklärbare Steigerungen". Steigerungen in den Jahren 2002 und 2003 seien "umgehend auf das ursprüngliche Niveau abgesenkt worden".

Kyrle verwehrte sich im Hinblick auf Kiew auch dagegen, dass entsprechende Akten nicht mehr aufzufinden seien. Ab dem Jahr 2003 seien in Kiew rund 80.000 Akten vorhanden. Generell würden die Eckdaten der Visum-Antragsstelle seit 1997 elektronisch erfasst und in einer Datenbank an der jeweiligen Vertretung gespeichert. Im Juli 2005 sei zudem die Mindestfrist für die Aufbewahrung von Visa-Akten an Auslandsvertretungen von einem auf zwei Jahre verlängert worden.

Sofort gehandelt

Mit dem Auftauchen erster Hinweise auf eine mögliche unrechtmäßige Visa-Vergabe habe das Außenministerium sofort die Sicherung der Akten an mittlerweile sechs Vertretungen verfügt. Dabei handle es sich um die Konsulate in Budapest, Belgrad, Bukarest, Lagos, Kiew und Kairo, die im Rahmen der Visa-Affäre in den Medien genannt worden waren. Gleichzeitig verteidigte Kyrle die Vernichtung von Akten. Diese sei aus praktischen Gründen notwendig, da die Vertretungen bei jährlich 400.000 erteilten Visa jährlich platzmäßig an ihre Grenzen stießen.

Zu den Inseraten, in denen in Serbien immer noch Schengen-Visa u.a. für Österreich angeboten werden, sagte Kyrle: "Man kann die erscheinenden Inserate nicht gleichsetzen mit einer Involvierung von Botschaftsangehörigen in kriminelle Netzwerke." Das Außenministerium habe immer wieder versucht, auf die serbischen Behörden einzuwirken. Diese sehen aber bis heute keine Möglichkeit, die Inserate zu verbieten, da das Veröffentlichen einer Anzeige in Serbien-Montenegro, wie auch in Österreich, nicht strafbar sei.

Zuletzt habe der österreichische Botschafter in Belgrad am 5. Dezember im serbischen Außenministerium auf ein "sofortiges Abstellen der Visa-Inserate" gedrängt. Außenministerin Ursula Plassnik habe die Problematik zudem am 2. Dezember bei einem Treffen mit dem serbisch-montenegrinischen Außenminister und anderen Amtskollegen aus dem Westbalkan angesprochen.

Er gehe davon aus, dass die Leiter der Auslandsvertretungen die Visa-Vergabe kontrollieren und gegebenenfalls auch schwarze Schafe ausfindig machten, sagte Kyrle außerdem. In den Medien genannte Zahlen vom möglichen Umfang unrechtmäßig ausgestellter Visa halte er für "sehr spekulative Äußerungen", so Kyrle. Zuletzt war in Medienberichten von bis zu 40.000 Visa die Rede gewesen.

Schüssel: Wird überhaupt nichts verschwiegen

Das Außenministerium gehe allen Hinweisen rund um die heimische Visa-Affäre nach. Das betonte auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) am Dienstag nach dem Ministerrat. Einen parlamentarischen Untersuchungs-Ausschuss lehnt der Kanzler unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ab.

Bei den aktuellen Vorwürfen rund um missbräuchliche Visa-Vergaben an österreichischen Auslandsvertretungen habe das Außenministerium "sofort reagiert", Schüssel. Zwei Personen stünden derzeit in Verdacht. Gegen einen bereits pensionierten Mitarbeiter sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, der zweite sei fristlos entlassen worden, so Schüssel. Es werde also "überhaupt nichts verschwiegen".

Ein U-Ausschuss ist für den Kanzler nicht nötig. Es mache "keinen Sinn", parallel zur Staatsanwaltschaft Ermittlungen durchzuführen. Auch gebe es keine Hinweise, dass sich die frühere Außenministerin und nunmehrige EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner (V) etwas zu Schulden habe kommen lassen. In ihrer Amtszeit waren die ersten Ungereimtheiten bei der Visa-Vergabe aufgetaucht. Nun sei die Justiz am Zug, meinte Schüssel. (APA)