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Abtransport der Leichen in der Raufangkehrergasse im 15. Wiener Gemeindebezirk, wo ein Mann sein Kind erschoss und anschließend sich selbst richtete.

Foto: APA/Artinger

Wien/Graz – "An Selda. Wie eine verwelkende Rose werde ich dich lieben, bis ich sterbe. Meine liebe Burcin und mich wirst du bis zum Tod nicht vergessen." So beginnt der in türkischer Sprache verfasste Abschiedsbrief von Nuri A., den er seiner Exfrau Selda, versteckt in einem Album mit Hochzeitsfotos, in die Hand drückte. Wenig später machte er wahr, was er weiter unten auf dem Zettel angekündigt hatte: Am Montag erschoss der 42-jährige Türke zuerst seine zweijährige Tochter Burcin und dann sich selbst.

Leidensgeschichte

Der Bluttat war eine Leidensgeschichte vorangegangen, die Montag um 8.30 Uhr beim Kindergarten am Schwendermarkt in Wien-Rudolfsheim auf einen traurigen Höhepunkt zusteuerte. Nuri A. hätte die Tochter seiner Exfrau übergeben sollen. Als der Mann mit seinem Auto vorfuhr, drückte er der 31-Jährigen, die seit 1997 von dem arbeitslosen Mann geschieden ist, jedoch nicht das Kind, sondern das Album in die Hand. "Er verlangte von seiner Frau, ins Auto einzusteigen, aber sie wollte nicht", schildert Oberstleutnant Georg Rabensteiner vom Kriminalkommissariat West nach der Einvernahme einer Freundin von Selda M., die Zeugin des Vorfalls geworden war. Sie hatte noch versucht, das Mädchen durch das offene Seitenfenster herauszuzerren. Darauf drohte der Vater mit seiner Pumpgun und fuhr davon.

Wenig später – die Polizei war bereits verständigt – bekam die Mutter ihren Exmann noch einmal ans Telefon. Über das Handy hört sie die Repetiergeräusche der in Österreich verbotenen Waffe, bevor das Gespräch abbrach. Der Mann war in die wenige Häuserblocks entfernte Rauchfangkehrergasse gefahren und hatte den Wagen vor einer Tankstelle angehalten. Dort schoss er zuerst seiner zweijährigen Tochter und dann sich selbst in die Brust. Beide waren auf der Stelle tot. Die Frau erlitt einen Schock.

Mehrfach gewalttätig Die Beziehung des Exehepaares war "denkbar schlecht", wie Rabensteiner mitteilte. Nach der Scheidung 1997 lebten die beiden zwar noch zusammen – woraus Tochter Bur¸cin hervorging -, im Juni dieses Jahres kam es aber zum endgültigen Bruch. Selda M. floh vor dem Mann, der schon mehrfach gewalttätig gewesen sein dürfte und seit einem Selbstmordversuch im Jahr 2001 in Behandlung war, zu ihrer Schwester nach Deutschland. Im September kehrte sie wieder nach Wien zurück und versteckte sich bei einer Freundin. Am Wochenende vor der Bluttat war der Vater, der die Scheidung offenbar nie verkraftet hatte, zum ersten Mal seit der Trennung im Juni wieder mit seiner Tochter zusammen. (APA, kri, DER STANDARD-Printausgabe 06.12.2005)