Androgene, von denen das wichtigste das Testosteron ist, gehören zu den Geschlechtshormonen der Wirbeltiere und stimulieren als solche die Entwicklung und den Erhalt des männlichen Fortpflanzungssystems. Es ist jedoch nicht so, dass manche Männchen einfach mehr Testosteron produzieren als andere. Vielmehr häufen sich die Hinweise darauf, dass es komplexe Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Androgenproduktion gibt, und diese wurden in den vergangenen Jahren auch in Österreich intensiv beforscht.

Die so genannte Challenge-Hypothese geht davon aus, dass der Androgenlevel eines Männchens während der Fortpflanzungszeit direkt mit dem Maß an Konkurrenz um Weibchen oder Ressourcen zusammenhängt, dem es ausgesetzt ist. In diesem Sinne sind Testosteronschwankungen ein Ausdruck dafür, wie stabil die soziale Umwelt eines Männchens ist. Das wiederum steht in Zusammenhang mit dem jeweiligen Paarungssystem einer Art und dem Ausmaß väterlicher Brutpflege, denn "gute" Väter dürfen keinen zu hohen Testosteronspiegel haben. Demnach sollten Männchen monogamer Arten, die sich aktiv an der Jungenaufzucht beteiligen, generell niedrige Androgenwerte aufweisen, die nur im Zuge der Paarung, oder wenn Konkurrenten auftreten, hochschnellen.

In den vergangenen Jahren hatten viele Studien vor allem an Vögeln und Fischen diese Androgen-Antwort zum Inhalt. Dabei hat sich die Challenge-Hypothese zwar in vielen Fällen bestätigt, aber eine Übertragung auf die anderen Klassen der Wirbeltiere erwies sich als schwierig. Eine der führenden österreichischen Forscherinnen auf diesem Gebiet ist Katharina Hirschenhauser von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau im Almtal. Sie verfolgt derzeit einen neuen Ansatz: Statt lediglich die männliche Androgen-Antwort unter die Lupe zu nehmen, konzentrieren sie und ihre Kollegen sich auf die hormonelle Kompatibilität zwischen beiden Teilen eines Paares.

Androgene werden vorwiegend in den Hoden produziert, geringe Mengen an Testosteron finden sich aber auch in weiblichen Wirbeltieren und weisen hier ebenfalls Schwankungen auf: So zeigen weibliche Graugänse einen deutlichen Androgenanstieg während der Paarungszeit und einen Abfall während der Eiablage. Bei den Gänserichen liegen die Verhältnisse - wie bei allen monogamen und biparentalen Vogelarten - ganz ähnlich, und in den letzten Jahren konnte Hirschenhauser zeigen, dass Paare, deren Testosteronmuster ähnlich verlaufen, im Laufe ihres Lebens mehr Junge aufziehen als solche mit geringer Hormonsynchronie. Das wirkt sich wiederum auf die Rangordnung aus, denn diese steigt mit der Familiengröße.

Im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds geförderten Projekts geht Katharina Hirschenhauser nun den Dingen tiefer auf den Grund, indem sie jeweils zwei nahe verwandte Vogelarten mit unterschiedlichem Paarungssystem miteinander vergleicht: die monogamen Graugänse mit den polygynen Hausgänsen, bei denen beide Eltern die Jungen versorgen, sowie die monogamen Alpensteinhühner, die ebenfalls gemeinsame Jungenaufzucht praktizieren (die Männchen beteiligen sich sogar am Ausbrüten der Eier), mit den promisken Japanwachteln, bei denen sich nur die Mütter um den Nachwuchs kümmern.

Die Bestimmung des Testosterons erfolgt aus dem Kot der Vögel, der jeweils ein Jahr lang täglich gesammelt und dann ausgewertet wird. Im Unterschied zu Blutabnahmen stellt diese Methode keinerlei Stress für die untersuchten Tiere dar und läuft daher auch nicht Gefahr, die Ergebnisse zu verfälschen. Gleichzeitig wird das Verhalten der Tiere beobachtet, und es werden sämtliche Eidaten wie Eigewicht und Gelegegrößen aufgezeichnet. Ziel des Projekts ist es zu testen, ob die hormonelle Kompatibilität zwischen Paarpartnern tatsächlich eine bessere "Währung" bei der Untersuchung von Paarungs- und Fürsorgesystemen bietet als die traditionelle Androgen-Antwort.

Zusätzlich sollen aber auch andere Einsichten gewonnen werden, zum Beispiel, ob sich die jeweilige Kompatibilität eines Paares schon während der Partnerwahl ergibt oder ob sie erst im Laufe von Monaten beziehungsweise Jahren entsteht. Unter anderem soll festgestellt werden, ob sich auch prinzipiell promiske oder polygyne Männchen hormonell auf ihre Partnerin einstellen, wenn sie mit nur einem einzigen Weibchen gehalten werden. Außerdem wird untersucht, was mit etablierten Paarbindungen passiert, wenn sie sozialen Störungen durch andere Weibchen ausgesetzt sind. Erwartet wird, dass sich das Männchen seiner eigentlichen Partnerin dann nicht mehr so deutlich anpasst und die Testosteron-Synchronie sinkt.

Während die meisten dieser Versuche noch nicht ausgewertet beziehungsweise noch im Laufen sind, gibt es bereits ein überraschendes Ergebnis: In Zusammenarbeit mit der Universität Bonn wurden eigens für das Projekt elf DNA-Marker für Graugänse entwickelt, um Vaterschaftsanalysen durchführen zu können. Damit wurden 41 Gänseküken getestet, die gesamte Nachkommenschaft von 14 Paaren aus vier Jahren - und siehe da, nur ein einziges Junges stammte nicht von seinem sozialen Vater. Das scheint die von Konrad Lorenz gerne gerühmte, mittlerweile aber auch sehr oft angezweifelte "Treue" der Graugänse zu bestätigen.

Was tatsächlich vorkommt, dürften weniger Seitensprünge sein als so genanntes Egg-Dumping, also das Ablegen von Eiern in fremden Nestern. Dieses wurde bei 30 Prozent aller untersuchten Familien beobachtet, wobei die meisten Eier an qualitativ hochwertigen Neststandorten untergeschoben wurden. Diese gehören gewöhnlich älteren Weibchen mit langer Verpaarungsdauer (solche Junge sind zwar auch nicht von ihrem sozialen Vater, allerdings auch nicht von ihrer sozialen Mutter und daher kein Produkt eines Seitensprunges).

Von sich reden machte Hirschenhauser nicht mit ihren eigentlichen Untersuchungsobjekten, den Vögeln, sondern weil sie eine der seltenen Studien am Menschen durchführte. Der monatliche Zyklus von Frauen zeigt eine deutliche Androgenspitze um den Eisprung. Wie bereits bekannt war, sind zu dieser Zeit sowohl die Libido der Frauen als auch ihre Empfängnisbereitschaft erhöht. Hirschenhauser ging nun der Frage nach, ob es bei Männern eine hormonelle Anpassung gibt. Mittels täglicher Speichelproben und detaillierter Fragebögen erhob sie das Sexualverhalten und die Androgenwerte von 27 Männern über einen Zeitraum von 90 Tagen. Das Ergebnis machte Furore: Männer, die ein Kind mit ihrer Partnerin wollten, zeigten sowohl in ihrem Hormonstatus als auch in ihrem Sexualverhalten einen 28-Tage-Rhythmus, während Männer ohne Kinderwunsch mit ihrer aktuellen Partnerin kein entsprechendes Muster aufwiesen. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3./4. 12. 2005)