Im Stift Klosterneuburg ist eine Vielzahl an Akten aus den Jahren 1938-45 entdeckt worden. Die Papiere dokumentieren die Beschlagnahme des Stiftsvermögens durch NS-Verwalter.

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Klosterneuburg - Jahrzehntelang verstaubten dicke Papierbündel auf einem Dachboden unterhalb der Kuppel beim Marmorsaal. Andere lagerten in der alten Registratur bei der Kaiserstiege. Doch als nun die Bauarbeiten für einen neuen Besucherzugang und einen Lift begannen, mussten Schränke und Regale geräumt werden. Dabei kamen stoßweise Papiere aus den Jahren 1938 bis 1945 ans Licht. Die Dokumente wurden dem Stiftsarchiv zur wissenschaftlichen Bearbeitung übergeben.

Das Stift wurde zum Teil bereits 1938 enteignet, Pachtgründe wurden für den "Fonds der deutschen Mutter" beschlagnahmt, der wahrscheinlich auch an Arisierungen beteiligt war. Damit verlor das Stift seine wirtschaftliche Existenz. 1941 wurde es aufgelöst, die Chorherren wurden vertrieben. 1945 konnte das Stift wieder besiedelt werden. Erst in den 60er-Jahren erhielt das Stift seinen Besitz zurück.

Die neu gefundenen Papiere zeigen laut Darstellung der Chorherren, dass jüdische Bürger in der Umgebung ihren Pachtvertrag verloren - nicht zuletzt nach Anzeigen von Nachbarn, die von "der Judenwirtschaft in der Nachbarschaft" genug hatten. Es tauchten Ansuchen um Pachtmöglichkeit der Gründe von "unbekannt Verzogenen" auf, wobei die neuen Anwärter auf ihre Parteimitgliedschaft und weitere nationalsozialistische Tätigkeiten hinwiesen.

Eine wahrscheinlich 1945 angefertigte Landkarte zeigt das Ausmaß der beschlagnahmten Gründe und die neuen "Besitzer". Neben dem "Fonds der deutschen Mutter", einem Kaiser Wilhelm Institut, der Gemeinde Wien und dem Kunsthistorischen Museum gehörte auch die Weinbauschule zu den Nutznießern. Unter den tausenden Seiten sind unzählige Listen, in denen die Bürokraten des NS-Regimes das Vermögen des Stiftes aufzählen. (APA, DER STANDARD - Printausgabe, 2. Dezember 2005)