Er hat gegrinst und sich am unsicheren Lächeln seiner Fahrschüler im Winter- weiß Nordfinnlands gefreut. Lappland ist die letzte Wildnis des Kontinents, auf vier Länder verteilt, dünn besiedelt, im Winter saukalt, dunkel, eine Herausforderung. Eine Gegend mit endlos viel Platz - durchzogen von tausenden Pistenkilometern, speziell für temperamentvolle Kufenfahrzeuge mit Raupenantrieb, und ein Land, in dem sich niemand über die infernalischen Fahrgeräusche der Motorschlitten beschwert, über diesen Sound-Mix aus Rasenmäher, Kreissäge und defekter Enduro.
Mit 100 PS unter dem Hintern sowie 160 km/h theoretischer und 120 km/h praktischer Spitzengeschwindigkeit auf dem Tacho auf Motorschlitten-Safari im arktischen Abenteuerland: Rund 60 bis 80 Euro kostet der voll getankte Schlitten pro Stunde. Wer ihn für einen ganzen Tag haben will, erhält Rabatt und zahlt zwischen 210 und 300 Euro - Leihthermokleidung, dicke Handschuhe, Spezialstiefel, Helm und Einweisung inklusive, zusätzlich gegen Aufpreis einen Guide für den Tag. Ein Cabrio an der Côte d'Azur ist preiswerter zu haben, und niemand käme auf die Idee, einen Fahrlehrer mitzuvermieten.
Wichtiger Teil des Straßennetzes
Für die Einheimischen in der Polarkreisregion Finnlands sind die winterlichen Motorschlittenpisten wichtiger Teil des alltäglichen Straßennetzes. Der markierte Weg durch die Wildnis ist dabei immer der kürzeste - und er ist stets so breit, dass mindestens ein Motorschlitten zwischen den kleinwüchsigen Bäumen hindurchpasst und möglichst sogar ein zweiter überholen kann. Und er ist gerade, wo immer es irgendwie möglich ist - von der Natur konstruierte Sprungschanzen inklusive.
Manchmal müssen die 320 Kilo schweren Dinger sogar ein bisschen fliegen können - fast wie damals die ersten Doppeldecker: ein kleiner Sprung über ein verschneites Hügelchen, fünf, sechs Meter in der Luft, krachende Landung - und, anders als bei den frühen Flugzeugen, keine Verwandlung in einen Haufen Schrott beim Aufprall. Mit viel Krach geht es sofort rasant weiter, als wäre nichts gewesen: Kurs auf den nächsten vereisten Hügel, die übernächste Schneewehe. Und hopp. Die Sprünge machen spätestens ab dem vierten, fünften Versuch Spaß - und diese Landschaft fordert ohnehin dazu heraus.
"Federt beim Sprung über Bodenwellen und kleine Kuppen in den Knien!", hat Markanen geraten. "Steht über dem Sitz, tariert mit eurem Körpergewicht die Kurven aus!" Für den Notfall gibt es einen Schalter mit Kordel, in deren Schlaufe der Fahrer mit dem Handschuh hineingreift. Fliegt er vom Bock oder kentert der Schlitten, reißt sein Pilot gewollt oder ungewollt an der Kordel, und das Kettenlaufwerk bleibt in derselben Sekunde stehen. "Am schlimmsten", warnt Markanen, "sind die Wurzelschlaufen mancher Bäume unter der Schneedecke." Der Helm ist in Skandinavien mittlerweile Pflicht, denn es soll Fälle gegeben haben, bei denen Motorschlitten in voller Fahrt mit Elchen kollidiert sind. Und einen Elch fährt man nicht um. Man fährt dagegen. Die Folgen sind für beide Beteiligten ähnlich verheerend. Und auch die häufigere Kollision mit einem Rentier oben im äußersten Norden ist ungesund.
Wie Astronauten
Wie Astronauten sehen die Fahrschüler dieses Wintermorgens in ihren Thermoanzügen aus, stapfen breitbeinig in ihren dicken Stiefeln durch den Neuschnee. Alle schwingen sich aufs Leder, greifen ihr Arctic Cat bei den Hörnern, erst ganz vorsichtig, ruckeln ein paar Meter voran. Einer kracht gegen die Veranda.
"Macht nix", sagt Jussi, und mit vereinten Kräften ziehen sie die Front des Geräts wieder aus der Holzverschalung. Viele würgen ihre Kisten nach ein paar Metern ab, starten neu, machen unsicher die ersten Fahrversuche. Aus dem Sattel wirft es niemanden. "Ein gutes Zeichen", murmelt Jussi, schließt das Visier seines Helmes, fährt voran - und gibt Gas. Erst dreißig, dann vierzig, bald sechzig Stundenkilometer, siebzig - hinter ihm die Kolonne aus Anfängerschlitten.
Der Veranda-Bruchpilot hält sich inzwischen für den großen Bruder von Tom Cruise - und der Fußwipper für "Schumacher on ice". "Gib Gas!", rufen sie beide. Die Sinne werden freier - und endlich macht sich all das Adrenalin bemerkbar, das ausgeschüttet wird: Der Himmel wird rosa, der Blick in den Schnee zum Blick in ein Kaleidoskop, die Schlittenfahrt zum Riesenkick.
Raserei durchs Weiß
Die Raserei durchs Weiß ist trommelndes Glücksgefühl. Ein merkwürdiger Mix, eine herrlich irrationale Emotion. Ob der Schnee unter den Kufen knirscht, das Eis des Flusses ächzt? Feinheiten haben keine Chance, zu den Sinnen vorzudringen: zu viel Krach, zu viel Helm - und zu viel Rosarot um nachzudenken.
Allein, der Ritt über die unvorhersehbaren Pisten erfordert volle Konzentration - und viel Kraft. Für die richtige Ausleuchtung des Abenteuers sorgt der Polarnachthimmel. Grüne Spots schleudert er zwischen den Sternen hervor Richtung Eis, blinkt und strahlt dabei selbst für Sekunden taghell im Licht der Blitze.
Irgendwann drängen sich plötzlich Flüche mit vielen Vokalen und ein paar eingewürfelten Konsonanten in den Kopf, Wortgewitter dampfen in den Helm. Sehr finnisch würden sie klingen, spräche man sie aus: Irgendwann signalisiert Jussi per Handzeichen Tempodrosselung, fährt an den rechten Rand des Nichts - um zu rasten und am Lagerfeuer Lachssuppe zu kochen. "Damit ihr euch aufwärmt", sagt er. Ohne diese Bemerkung hätte keiner gemerkt, dass er friert.