Mozart lustig: Dorabella (Stella Doufexis) und Guglielmo (Michael Nagy).

Foto: Komische Oper Berlin/Monika Rittershaus
Statt psychologisch tief schürfender Deutung wird ein heiterer Abend des Partnertausches geboten, der auf freundlichste Zustimmung stieß.


Da haben nun Generationen von Regisseuren versucht, bei Mozarts Così bis in Tiefenschichten vorzudringen, um die berühmte, psychoanalytisch aufgeladene Operation am offenen Herzen vorzuführen. Dass dabei aus dem auf die Untreue der Frauen gemünzten "così fan tutte" immer mehr ein emanzipiert modernes "così fan tutti" wurde, das auch die Männer meint, verstand sich fast von selbst.

Mit der Musik kollidiert das nicht, Mozart kannte sich aus. Und dann kommt einer wie der Regiestar Peter Konwitschny, setzt seine Unschuldsmine auf, schert sich nicht um all diesen heiligen Ernst und tut fast zwei Akte lang so, als wär nichts. In Jörg Koßdorffs sinnvoll zurückgenommenem Bühnenbild, das sich auf Prospektversatzstücke mit Interieurüppigkeit und riesigem Dschungel-Garten beschränkt, geht dieser Regisseur, den immer mehr eine Art reife Lebensheiterkeit zu erfassen scheint, nicht vor dem Menschen- und Herzenskenner Mozart in die Knie.

Er sattelt beim Theaterfreak Amadeus auf, gibt ihm die Sporen und tobt ins prall Szenische, was in dieser Überdosis dann wieder keine leichte Kost ist. Beim turbulenten Finale des ersten Aktes zerzaust immerhin ein Gewittersturm der Gefühle die naive Gartenidylle. Danach findet man nur noch Trümmerstücke davon unter einem riesigen Rundspiegel, der im Boden eingelassene Leuchtspiralen sichtbar macht. Kein Tanz auf dem Vulkan, mehr eine Balgerei auf der Herdplatte.

Wer mit wem

Bei Konwitschny entdecken zwei blutjunge Paare gerade die Liebe für sich - als ein erotisches Wer-mit-wem-Spiel. Sie tun zwar cool, haben aber doch vor ihrem ersten Mal Manschetten. Trotz Reifrock und Perücken bei Dorabella (Stella Doufexis) und Fiordiligi (Maria Bengtsson) und Uniformen bei Ferrando (Johannes Chum) und Guglielmo (Michael Nagy).

Geführt werden sie von zwei vom Leben und seinen Enttäuschungen gezeichneten Lehrern. Von Dietrich Henschel als ein Alfonso mit Giovanni-Vergangenheit, der eine Art russisches Roulette der Gefühle spielt, aber bei seinen Kopfschüssen jedes Mal Glück hat. Und von Anne Bolstad als Despina, deren Schokoladenmädchen-Äußeres eine Art weibliches Pendant zum großen Verführer kaum verbirgt.

Schule der Liebenden

Es verblüfft schon etwas, dass ausgerechnet Konwitschny, dieser Anwalt der Frauen, sich gerade hier damit zurückhält. Ist alles doch "nur" eine Schule der Liebenden? Deren Lernziel scheint bereits beim Spiel mit den Schildern vor dem Vorhang zur Ouvertüre vorgegeben. Danach machen es nämlich wirklich alle so: Frauen und Männer, Krokodile und Festplatten, Kartoffelklöße und so weiter, und "ergebnisoffen" wird ausdiskutiert, wer denn nun wen heiraten soll.

Wobei Dorabella selbst Herrn Müller aus dem Chor in Betracht zieht, dessen hochschwangere Freundin allerdings sofort dazwischengeht, die dann wiederum - na ja, und so weiter. Es ist eine Berliner Lokalpointe, dass dann schließlich Ferrando und Guglielmo einander heiraten sollen und das mit dem berühmt gewordenen Satz des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit ("Ich bin schwul und das ist auch gut so!") kommentiert wird.

Peter Konwitschny darf so etwas. Das Publikum war begeistert. Bejubelte die Sänger und den souveränen Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, der ein keineswegs lärmiges, doch turbulent spannungsreiches und auch sensibles Spiel als musikalisches Unterfutter lieferte.

Die Komische Oper Berlin ist nach ihrem Flop mit Calixto Bieitos Madame Butterfly wieder zurück auf dem Niveau ihrer Möglichkeiten und auf dem Weg zu einen veritablen Mozart-Zyklus. Und das ist gut so. (DER STANDARD, Printausgabe, 01.12.2005)