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Verlässlichkeit sei das Markenzeichen der Regierung, meinte Bundeskanzlerin Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung.

Foto: REUTERS/Michael Dalder

Berlin – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer ersten Regierungserklärung im Bundestag die Reformkraft der großen Koalition betont. "Lassen Sie uns also alle damit überraschen, was wir in diesem Lande können", sagte Merkel in ihrer mit Spannung erwarteten Grundsatzrede am Mittwoch in Berlin.

Die CDU-Chefin mahnte die Koalitionspartner Union und SPD eindringlich, ihre bisherige Gegnerschaft zu Gunsten umfassender Reformvorhaben auf dem Arbeitsmarkt, im Sozialversicherungs- und im Bildungssystem sowie zur Haushaltssanierung aufzugeben.

"Neue Wege gehen"

"Diese Koalition will Rituale überwinden und neue Wege gehen", rief Merkel unter dem Applaus der Koalitionsfraktionen. "Niemand kann uns daran hindern – außer uns selbst." Zu Beginn ihrer eineinhalbstündigen Rede ging Merkel auf die Entführung der deutschen Archäologin Susanne Osthoff im Irak ein. Trotz der ungeklärten Hintergründe der Geiselnahme sei für die Bundesregierung klar, dass sie sich nicht erpressen lasse. Merkel bekräftigte die Reformpläne der großen Koalition und rief Unternehmen und Gewerkschaften zur Mithilfe auf. Sie warb erneut um Verständnis für die geplanten Einschnitte und sagte eine verlässliche Rolle Deutschlands in der Außenpolitik zu. Für in Deutschland lebende Ausländer kündigte sie verstärkte Integrationsbemühungen an.

Merkel hob in ihrer Regierungserklärung die Chancen der großen Koalition hervor, jenseits parteipolitischer Grabenkämpfe überfällige Reformvorhaben auf den Weg zu bringen. "Wer hätte gedacht, dass SPD und Union so viel Verbindendes entdecken, dass wir ein dichtes Programm für vier Jahre vorlegen können?"

Unter lautem Beifall appellierte sie an die Koalitionsfraktionen: "Lassen Sie uns verzichten auf die eingeübten Rituale, auf die reflexhaften Aufschreie, wenn wir etwas verändern wollen. Es sollte wirklich einmal möglich sein, dass wir in dieser großen Koalition dieses alles hinter uns lassen und neue Wege gehen." Für sie selbst als Ostdeutsche sei der Fall der Mauer die größte Überraschung ihres Lebens gewesen, bekannte Merkel. "Wenn Sie schon einmal im Leben so positiv überrascht wurden, dann halten Sie vieles für möglich. Dabei möchte ich bleiben." Die neue Regierung müsse sich am Abbau Arbeitslosigkeit messen lassen.

Würdigung für Schröder

Ausdrücklich würdigte die Regierungschefin Erfolge ihres Vorgängers Gerhard Schröder. Der SPD-Politiker habe mit seiner Agenda 2010 mutig und entschlossen eine Tür aufgestoßen und die Reformen auch gegen Widerstände durchgesetzt. "Damit hat er sich um unser Land verdient gemacht", sagte Merkel. "Dafür möchte ich ihm im Namen aller Deutschen danken." Die CDU-Chefin zitierte den früheren SPD-Vorsitzenden Willy Brandt mit seinem Leitmotiv "Mehr Demokratie wagen". "Gestatten Sie mir heute diesen Satz zu ergänzen und uns zuzurufen: Lassen Sie uns mehr Freiheit wagen."

Merkel, die vor gut einer Woche als erste Kanzlerin in Deutschland vereidigt worden war, bekräftigte die Pläne der großen Koalition für Einschnitte bei Rentnern und Arbeitslosen und verteidigte die ab 2007 vorgesehene Mehrwertsteuererhöhung. Die Entscheidung dafür sei bislang die schwierigste der großen Koalition gewesen. Als große Reformvorhaben hob sie den Umbau des föderalen Systems hervor sowie die ab 2008 geplante Reform der Unternehmenssteuern, einen umfassenden Bürokratieabbau und die Einführung eines einkommensabhängigen Elterngeldes. Merkel zeigte sich zuversichtlich, dass die Streitfragen zwischen den Koalitionspartnern wie der Umbau des Gesundheitssystems und die Reform der Pflegeversicherung im kommenden Jahr gelöst werden können. "Wir haben uns viel vorgenommen, weil wir sicher sind, dass vieles möglich ist."

"Verlässlicher Partner in der Außenpolitik

In der Außenpolitik werde sich Deutschland als verlässlicher Partner etwa in der Krise der Europäischen Union oder bei der Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten erweisen, sagte Merkel. Sie unterstrich ihr Ziel, die Beziehungen zu den USA wieder zu stärken. "Die neue Bundesregierung wird sich mit aller Kraft für ein enges und ehrliches, offenes und vertrauensvolles Verhältnis in der transatlantischen Partnerschaft einsetzen." Deutschland vertraue auch auf die Zusage der US-Regierung, die Berichte über CIA-Gefängnisse und illegale Flüge in Kürze aufzuklären. Menschenrechtsverletzungen dürften von keiner Seite hingenommen werden – "und seien es noch so hoffnungsvolle Handelspartner", fügte sie hinzu. (APA/Reuters)