Für mehr Europa: Russischer Politologe Vladimir Ryabtsev.

Foto: Standard/Christian Fischer
Wien - Die Region soll zu einem "Platz des gemeinsamen Schicksals" werden, sagt der ukrainische Politologe Wolodymir Nikitin. Der türkische Wirtschaftsprofessor Ersan Bocutoglu wünscht sich, dass die Zivilgesellschaft "von unten" einen "goldenen Ring" der Schwarzmeerländer bildet. STANDARD-Kaukasus-Experte Markus Bernath vergleicht das Schwarze Meer mit einem gemeinsamen Swimming Pool aller Anrainerstaaten, in den aber noch kaum jemand zu springen wagt.

Die Teilnehmer der STANDARD-Konferenz über Demokratie und Entwicklung in der Schwarzmeerregion haben bereits sehr konkrete Ideen für verstärkte regionale Kooperationen. Einig ist man sich auch, dass die EU sich stärker engagieren sollte. Der russische Politologe Vladimir Ryabtsev von der Rostov Universität stellt sich eine "Mini- OSZE" vor, die für die Lösung der Konflikte in der Region zuständig sein soll. "Bislang hat sich nur Russland engagiert, das war aber vielleicht nicht so effektiv", sagt Ryabtsev. "Die EU soll Russland nun überzeugen, dass eine vernünftige Europäisierung allen dienen würde." Ein erster Schritt zur Mini-OSZE soll die Gründung einer Schwarzmeerkommission sein, ein Zusammenschluss von NGOs aus Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Russland, Georgien und der Türkei. Die meisten Politologen aus der Region, die in Wien zusammengekommen sind, unterstützen diesen Vorschlag.

Zu den wichtigsten offenen Sicherheitsfragen zählen politische Lösungen für abtrünnige Republiken wie Abchasien (Georgien) oder Transnistrien (Republik Moldau), aber auch Waffen-und Menschenhandel. Die Alternativen zur Mini-OSZE wären eine "Universalisierung" der Konflikte mit Hilfe der UNO, eine Schirmherrschaft, die auf einer Kooperation zwischen Russland und der EU oder der Türkei und der EU fußt, oder die Intervention der Nato mit oder ohne USA, erklärt Experte Ryabtsev.

Der ehemalige Vize-Regierungschef von Abchasien, Vakhtang Kolbaia, will darauf hinweisen, dass Europas Sicherheit von der Sicherheit in der Region abhängt. "Deshalb muss sich auch das europäische Sicherheitssystem ändern." Skeptisch bleibt Jörg Himmelreich vom German Marshall Fund in Berlin: "Die EU ist mit ihren eigenen Problemen beschäftigt." (awö/DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2005)