Brüssel - Eine Einigung über die EU-Finanzen beim Gipfel Mitte Dezember ist nach Ansicht der EU-Budgetkommissarin Dalia Grybauskaite höchst ungewiss. "Ich bin nicht sicher, ob sie die Erwartungen erfüllen können", bezweifelte Grybauskaite bisherige Versuche der britischen EU-Präsidentschaft, bei dem Treffen zu einem Abschluss zu gelangen. Es sei bereits jetzt "zu spät für einige Mitgliedstaaten", neue Kompromissangebote ausreichend zu prüfen. Ein weitere Unsicherheit stelle die innenpolitische Lage dar, in der sich der britische Premierminister Tony Blair befinde.

Großbritannien werde erst am 5. Dezember einen neuen Kompromissvorschlag auf den Tisch legen, sagte die EU-Kommissarin. London werde darin wahrscheinlich Elemente von der EU-Kommission übernehmen. Diese hatte einen Fonds zu Abfederung negativer Globalisierungsfolgen, eine stärkere Zweckbindung der Strukturhilfen an Ausgaben zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, eine stärkere Modulation der Agrarsubventionen und eine Klausel zu einer umfassenden Reform des EU-Haushalts nach 2013 vorgeschlagen.

Am kommenden Donnerstag werde sie mit dem britischen Außenminister Jack Straw in London über das britische Kompromissangebot beraten, sagte Grybauskaite. Unterstützung erhoffe sie sich von der neuen deutschen Bundesregierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei "sehr bemüht, eine Einigung zu ermöglichen", sagte sie. Am Donnerstag hatten Merkel und Blair bei einem ersten Treffen in London allerdings keine Fortschritte in dieser Frage erzielt.

Auch 1999 sei die Einigung über die so genannte Finanzielle Vorausschau sehr spät erfolgt, sagte Grybauskaite. Diesmal sei die Situation jedoch schwieriger, da der umstrittene Briten-Rabatt zur Verhandlung stehe. Nach Berechnungen der Kommission würde der Rabatt in der neuen Finanzperiode auf durchschnittlich 7,7 Milliarden Euro Prozent ansteigen gegenüber 4,7 Milliarden im Jahr 2004. Diese Zunahme sei viel stärker auf die EU-Erweiterung als auf die von London beanstandete EU-Agrarpolitik zurückzuführen, sagte Grybauskaite. "Es ist jetzt Zeit darüber zu reden, wie wir die Last der Erweiterung aufteilen."

Grybauskaite kritisierte zudem die britische Berechnung der eigenen Beitragszahlungen, mit der London eine höhere Nettozahlerbilanz ausweise als nach Berechnungen der EU-Kommission. "Vielleicht ist das so, weil sie auf der anderen Straßenseite fahren und ein anderes metrisches System verwenden", meinte die Kommissarin ironisch.

Der von Österreich abgelehnte ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung eines "generellen Korrekturmechanismus" für Nettozahler werde in dieser Form nicht kommen, da die meisten EU-Staaten dagegen seien, sagte Grybauskaite. Elemente davon könnten sich aber in einer endgültigen Vereinbarung wiederfinden. Österreich hatte den von der Kommission vorgeschlagenen Mechanismus abgelehnt, weil sein bisheriger Nettobeitrag unter der von der Kommission vorgeschlagenen Schwelle zur Entlastung lag. (APA)