Wien - Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie- Organisation (IAEO) berät heute (Freitag) in Wien weiter über das umstrittene iranische Atomprogramm. Die Vertreter der Europäischen Union und der USA hatten am Donnerstag die Haltung Irans ungewöhnlich scharf kritisiert und Teheran erneut mit einer Anrufung des Weltsicherheitsrates gedroht. Dennoch soll in Zusammenarbeit mit Russland zunächst ein neuer diplomatischer Versuch unternommen werden, um Iran von der angestrebten Urananreicherung im eigenen Land abzubringen.

"Das Fenster für die Diplomatie ist noch offen, aber nicht mehr lang", warnte der britische Botschafter bei der IAEO, Peter Jenkins. "Wir drängen Iran, den russischen Vorschlag (für eine Zusammenarbeit bei der Urananreicherung) anzunehmen." Wann das Fenster für die Diplomatie geschlossen werde, wollte Jenkins nicht sagen. "Es ist sicher kein Jahr", meinte er. Washingtons Botschafter Greg Shulte sagte: "Wir werden (die iranischen Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag) an den Sicherheitsrat melden. Aber wir wählen den Zeitpunkt."

"Unter bestimmten Bedingungen"

Der russische Gesandte, Gregori Berdennikow, erklärte, dass sein Land zu einer umfassenden Zusammenarbeit mit Iran bereit sei, "um die Lieferung von Brennstäben für iranische Kernkraftwerke zu garantieren". Teheran würde das russische Angebot "unter bestimmten Bedingungen" akzeptieren. Allerdings müsse das verbriefte Recht des Landes auf die friedliche Nutzung der Kernenergie und die Produktion von atomarem Brennstoff anerkannt werden, sagte der iranische Vertreter, Javad Vaeidi.

Jenkins bestätigte, dass es bei den möglicherweise noch im Dezember beginnenden Gesprächen vor allem um den russischen Vorschlag geht. Der Westen fordert von Iran einen Verzicht auf die Urananreicherung, weil hoch angereichertes Uran auch zum Bau von Atomwaffen verwendet werden kann. Vor allem die USA verdächtigen Teheran, insgeheim an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Iran hat das stets zurückgewiesen.

Die EU und die USA warfen Iran erneut vor, Informationen über sein 18 Jahre lang geheim gehaltenes Atomprogramm zurückzuhalten. Besonders besorgt zeigten sich Sprecher auch anderer Mitgliedsländer, dass Teheran bereits seit den 80er Jahren im Besitz von Anleitungen für den Bau von Atombomben-Teilen war.

Der Iran spielte unterdessen die Bedeutung der übergebenen Baupläne für Teile einer Atombombe herunter. Die der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) ausgehändigten Pläne seien im Internet abrufbar, sagte der iranische Botschafter. Experten bestreiten dies und bezeichneten die Informationen als streng geheim. Den USA und der EU zufolge ist die mehrseitige Anleitung zur Herstellung eines Uran-Kerns ein Beleg für das Streben der Islamischen Republik, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Der Iran hatte erklärt, den Plan von Personen mit Kontakten zum internationalen Schwarzmarkt für Atomtechnologie erhalten zu haben.

"Nicht sehr anspruchsvoll"

"Die in den anderthalb Seiten enthaltene Information ist nicht sehr anspruchsvoll und leicht in öffentlich zugänglicher Literatur und im Internet zu entdecken", sagte der iranische IAEO-Botschafter Mohammed Mehdi Achunsadeh dem IAEO-Direktorium. Sie sei unvollständig und ihre Übergabe ein Zeichen für das vollständig transparente Verhalten des Landes gegenüber der IAEO.

Diplomaten und Atomexperten widersprachen seiner Darstellung jedoch. "Die iranische Erklärung ist lächerlich und nicht glaubhaft. Das sind Geheiminformationen", sagte ein Nuklear-Spezialist der Umweltschutzorganisation Greenpeace der Nachrichtenagentur Reuters. Ein europäischer Diplomat erklärte zudem, das Internet habe zu der Zeit, in der der Iran die Informationen erhielt, noch gar nicht existiert. Auch der US-Botschafter Gregory Schulte erklärte, der Plan stamme nicht aus dem Internet sondern von einem Netzwerk für Atomwaffen.

(APA/dpa)