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Noch sind Hannah Lessing und IKG-Präsident Ariel Muzicant vorsichtig: Aber die Aktenberge der Restitutionsgeschichte könnten bald abgebaut werden.

Foto: APA/Schlager
Noch will man im Verfahren um die Entschädigung für die NS-Opfer der angepeilten Rechtssicherheit nicht trauen. Zumindest 60 Tage hat das New Yorker Bezirksgericht noch Zeit, allfällige Einsprüche zu behandeln.

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Noch geben sich alle Beteiligten zurückhaltend. Hatte es am Mittwochabend noch geheißen, mit dem Abschluss des Verfahrens gegen die Republik Österreich sei von einem New Yorker Gericht im Restitutionsstreit nun jene Rechtssicherheit herbeigeführt worden, die für die Auszahlung der Entschädigungen Voraussetzung ist, überwogen am Tag danach doch wieder die Warnungen vor allzu hohen Erwartungen.

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, sagte dazu lediglich: "Wir prüfen das Urteil und überlegen die Konsequenzen. Und wir rufen zur Vorsicht auf, um nicht falsche Hoffnungen zu wecken."

"Sehr positiver Schritt"

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sprach von einem "sehr positiven ersten Schritt zur endgültigen Rechtssicherheit". Diese werde nun von Experten geprüft, bisher gebe es nur die Information eines Anwaltes, sagte Schüssel: "Von uns besteht 100 Prozent guter Wille, das Thema so schnell wie möglich zu erledigen."

Offen seien noch Klagen gegen einige österreichische Firmen. Manche sagten, dass deren Erledigung nur mehr eine Frage von Tagen oder Wochen sei. "Das kann ich nicht beurteilen", sagte Schüssel. Er sei kein Experte für amerikanisches Recht. Sobald endgültig Rechtssicherheit gegeben sei, werde die Republik vertragsgemäß ihren Anteil in den Entschädigungsfonds einzahlen. Danach könne ein Sofortbetrag an die NS-Opfer ausbezahlt werden. Einen konkreten Zeitplan konnte Schüssel nicht nennen, bloß schnell soll es gehen: "Es liegt aber nicht in unserer Hand."

Hannah Lessing vom Entschädigungsfonds gibt sich noch vorsichtiger: "Formelle Rechtssicherheit habe ich erst, wenn es im Gesetzblatt in Österreich publiziert ist. Und da halte ich mich daran."

Aber es sei ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung" gewesen, bekräftigte Lessing im Gespräch mit dem STANDARD. Allerdings könne noch von jedem Kläger ein Rekurs gegen das Urteil eingelegt werden, was in einem Fall sehr wahrscheinlich scheint, wie Erika Jakubovits von der Kultusgemeinde bestätigt.

Demnach hätten von den ursprünglich 27 Klägern, erklärte Jakubovits im STANDARD-Gespräch, 25 die Klage zurückgezogen, von einem weiteren liege eine entsprechende Zusage vor. Es gibt einen engen Zeitrahmen: 21 Tage wurden als Frist festgelegt, innerhalb deren alle im Verfahren Beteiligten nochmals schriftliche Eingaben beim Bezirksgericht machen können.

US-Richterin am Zug

Am Zug ist nun die Bundesrichterin Shirley Wohl Kram am New Yorker Bezirksgericht. Sie ist seit Jahren mit deutschen und österreichischen Restitutionsfragen befasst und wurde vom Berufungsgericht aufgefordert, die restlichen Verfahren rasch einzustellen. Gegen die Republik ist in den USA zwar kein Verfahren mehr anhängig, sehr wohl aber gegen einige Unternehmen. Laut österreichischen Außenministeriums hat Kram dazu höchstens 60 Tage Zeit, sie könnte aber auch innerhalb weniger Tage entscheiden.

Davon hängt es jetzt ab, wie schnell die Rechtssicherheit tatsächlich eintreten kann. Kram gilt als Hardlinerin in Sachen Restitution, die sich auch schon in der Vergangenheit geweigert hat, Sammelklagen abzuweisen, bloß weil es eine politische Einigung über die Entschädigung gibt. Im Frühjahr 2001 hielt sie durch ihre Weigerung, Klagen gegen deutsche und österreichische Banken abzuweisen, die Schaffung von Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter in beiden Ländern auf. Auch damals war es das Berufungsgericht, das den Weg für die Rechtssicherheit freimachte.

Sollte diese gegeben sein, kann es mit der Auszahlung der ersten Teilbeträge sehr schnell gehen, meint Lessing: "Am 15. Dezember haben wir eine Sondersitzung des Kuratoriums. Da wird eine Quote festgelegt werden. Es gibt prinzipiell Einverständnis, dass hier eine Vorauszahlung ermöglicht wird, und am 16. Dezember könnten wir den Antragstellern, deren Fälle schon entschieden sind, bereits die entsprechenden Papiere zusenden. Werden diese noch im Dezember zurückgeschickt, könnten wir im Dezember mit der Auszahlung beginnen."

Kein Ansturm

Bisher hielten sich die Reaktionen der Betroffenen in Grenzen, sagt Lessing: "Wir hatten erwartet, dass die Rückmeldungen extrem sein werden, und mit vielen Anrufen gerechnet, aber das ist nicht der Fall. Es gibt schon vermehrt Anfragen, aber keinen Ansturm."

Wie hoch die Auszahlungsquote sein wird, kann Lessing noch nicht sagen. Daher kann auch nicht seriös geschätzt werden, wer wie viel aus dem insgesamt 210 Millionen Dollar schweren Entschädigungstopf erhalten wird. In einem sind sich jedoch alle einig: Je früher ausgezahlt wird, umso glaubhafter wirkt die Geste der Entschädigung besonders für die Opfer, die sie noch erleben dürfen. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2005)