Der Standard/ Heribert Corn
Der Standard: Herr Landau, was ist für Sie der Unterschied zwischen Schenken und Spenden? Oder ist die Spende eine Form des Schenkens? Landau: Also Schenken, das ist z. B. die Bereitschaft zu einem Gespräch, die Aufmerksamkeit, das Hinschauen, Hinhören. Die wirklich wichtigen Dinge wie Freundschaft und Liebe haben Geschenkcharakter: Da könnte man Geschenk nicht einfach durch das Wort Spende ersetzen. Der Standard: Gibt es im Spendenverhalten der Österreicher saisonale Unterschiede? Landau: Gerade in der Weihnachtszeit kommen viele Menschen, die bereit sind, mitzuhelfen. Ja, zu Weihnachten gibt es sicher mehr Sensibilität - zugleich würde ich mir wünschen, dass diese Sensibilität das ganze Jahr über stärker anhält. Der Standard: Wie ist das Verhältnis von Sach-, Geld- und Leistungsspenden? Sie sind bereits seit 1995 Direktor der Wiener Caritas. Haben Sie das Gefühl, dass in diesen zehn Jahren der Anteil der Geldspenden zugenommen hat, weil es leichter ist, ein paar Euro zu spenden, als persönlich Zeit zu investieren? Landau: Es gibt österreichweit rund 3000 Pfarren, das ist ein dichtes Netz von Aufmerksamkeit und da gibt es z. B. durchaus engagierte Ärzte, die Behandlungszeit spenden. Überhaupt hat sich die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt. Auch im Bereich der Jugendcaritas gibt es viel Bereitschaft, sich persönlich mit der Not auseinander zu setzen. Der Standard: Ist das nicht ein enormer logistischer Aufwand, wenn jemand sagt, ich bin Dachdecker oder Therapeut und möchte meine Arbeitszeit spenden? Landau: Die Caritas ist ganz diözesan gegliedert, das heißt in jeder Diözese in ganz Österreich gibt es Ansprechpartner, wenn jemand durch persönliche Arbeitsleistung helfen will. Für professionelle Arbeit ist aber beides wichtig: Zeit- und Geldspenden. Jeder Euro ist eine wertvolle und kostbare Hilfe. Der Standard: Wie hält es die Caritas mit der gut gemeinten Sachspende, die aber nicht wirklich zu verwenden ist? Zum Beispiel mit halbaufgebrauchten Medikamentenpackungen? Landau: Ja, gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut, das gilt auch bei der Hilfe gerade im Katastrophenfall. So ist das Sammeln und Ausfliegen von Decken oft nicht sinnvoll. Das mag zwar für den, der seine alte Daunendecke noch einem Zweck zuführen will, enttäuschend sein, aber wir sagen klar, wenn Sachspenden keine zweckdienliche Hilfe sind. Der Standard: Stößt das nicht auf Unverständnis? Landau: Man muss natürlich bei jedem, der sich bemüht, das Bemühen würdigen, aber auch sehen, was eine wirkliche Hilfe ist - und manchmal ist Geld eben das beste Mittel. Der Standard: Noch einmal zum Spendenverhalten: Wird für Kinder eher gespendet als für alte Menschen? Landau: Generell lässt sich sagen, es wird dort gespendet, wo wir vermitteln können, dass es um konkrete Menschen geht. Es gibt in Österreich laut offizieller Zahlen mehr als 100.000 Kinder und Jugendliche, die als akut arm eingestuft werden. Ich vermisse den Blick auf diese Kinder schmerzlich. Andererseits helfen wir als Caritas auch gerade dort, wo andere nicht hinsehen: Es ist genauso wichtig, älteren Obdachlosen ein würdiges Leben zu ermöglichen, auch wenn das für die Spenderinnen und Spender auf den ersten Blick vielleicht nicht so attraktiv ist. Da braucht es oft ein besonderes Engagement. Zugleich bin ich sehr froh, dass diese Sensibilität für Randgruppen doch da ist. Der Standard: Wie versucht die Caritas, das Spenden persönlicher zu gestalten? Landau: Z. B. in der Christkindlbriefaktion versuchen wir, konkrete Wünsche von Einzelnen erfüllen zu lassen. Was man dabei aber nicht vergessen darf: Es geht uns auch darum, die Intimsphäre der Menschen zu schützen. Es ist ganz wichtig, dass der Vorgang des Schenkens den anderen nicht verletzt - gerade, wenn sich der andere nicht revanchieren kann. Der Standard: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was schenken oder spenden Sie zu Weihnachten? Landau: Also spenden tu ich das ganze Jahr, ich habe einen Dauerauftrag. Und Geschenke? Für mich ist es wichtig, Zeit mit Menschen zu verbringen. Zu Weihnachten feiere ich mit meinem Bruder - und in einer unserer Einrichtungen - den Gottesdienst. Meistens schaue ich auch noch in der Gruft vorbei. (Tanja Paar/Der Standard/rondo/24/11/2005)