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Männer unter sich, bestimmen über das Leben und damit über die Frauen.
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Stefania Prestigiacomo wähnt sich "auf dem Weg zurück ins Mittelalter". Was die Frauenministerin so irritiert, sind die rüden Töne eines Glaubenskrieges, dessen ungewohnte Vehemenz den beginnenden Wahlkampf in Italien prägt. Es ist ein Ministerkollege, der die Forza-Italia-Politikerin besonders irritiert: Gesundheitsminister Francesco Storace und sein Kreuzzug gegen die Abtreibungspille.

Erst ordnete der Rechtsausleger der Nationalen Allianz den Abbruch einer Testreihe im Krankenhaus von Turin an. Dann wartete er mit einem Vorschlag auf, den Frauenverbände als "reine Provokation" werten: In den Beratungsstellen für Schwangere sollen in Zukunft neben ÄrztInnen und PsychologInnen auch die AbtreibungsgegnerInnen der "Bewegung für das Leben" vertreten sein.

Im Vatikan begnügte man sich nicht damit, Storaces Vorstoß zu unterstützen. Zwei Tage später startete der Osservatore Romano eine vehemente Attacke gegen das Abtreibungsgesetz, das in Italien seit vielen Jahren einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten erlaubt. Die Beratungsstellen begnügten sich fast immer damit, Scheine auszustellen statt das ungeborene Leben zu schützen, erregte sich das Vatikan-Blatt.

Katholische Kampagne

Vier Mal innerhalb einer Woche stellte die Zeitung unmissverständlich klar, dass "der Schutz des Lebens Gebot der Zivilisation sei". Mit Blick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen mahnte die Bischofskonferenz: "Wer für den Schwangerschaftsabbruch eintritt, ist für Katholiken nicht wählbar." Die Christdemokraten nutzten die Gunst der Stunde und forderten die Einsetzung einer Kommission, die "die Tätigkeit der Beratungsstellen überprüfen und bewerten soll".

Seit vielen Jahren hat die katholische Kirche nicht so massiv in die italienische Innenpolitik eingegriffen. Beim Bioethik-Referendum im Sommer erteilten die Pfarrer den Gläubigen von der Kanzel aus Wahlhilfe. Dann verurteilte die italienische Bischofskonferenz die föderalistische Verfassungsreform als "Verstoß gegen das Solidaritätsprinzip". Innerhalb weniger Wochen empfing der Papst zunächst den christdemokratischen Kammerpräsidenten Pier Ferdinando Casini und dann Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Zwischen ihm und Benedikt XVI. bestehe "eine ganz besondere Harmonie", versicherte Berlusconi. Und diese findet im Parlament konkreten Niederschlag: So wurde unlängst kirchlicher Besitz von der Immobiliensteuer befreit - auch wenn er kommerziellen Zwecken dient. Die Unterstützungsgelder für katholische Privatschulen wurden erhöht, mehrere Tausend Religionslehrer neu angestellt.

Die Opposition murrt - einer Konfrontation mit der Kirche geht sie jedoch aus dem Weg. Ein Vorschlag der Sozialisten und der Radikalen Partei, das noch unter Mussolini geschlossene Konkordat zwischen Kirche und Staat neu zu formulieren, wurde von Oppositionsführer Romano Prodi kategorisch abgelehnt. Es gebe "andere Prioritäten", versicherte auch Kommunistenchef Fausto Bertinotti.

"Wie in den USA"

Noch hat sich keine Partei so weit vorgewagt, eine Abschaffung der geltenden Abtreibungsregelung zu fordern. "Wir wollen keinen Religionskrieg", versichert der Präsident der Abgeordnetenkammer Pier Ferdinando Casini. Frauenministerin Stefania Prestigiacomo verteidigt das Gesetz als "zivile Errungenschaft" und warnt vor den Folgen eines Glaubenskrieges: "Wenn dieser Kreuzzug weiter ausartet, stehen bald militante Abtreibungsgegner vor den Beratungsstellen - wie in den USA". (DER STANDARD, Printausgabe 24.11.2005)