Beirut - Zwei Tage nach den schwersten Gefechten an der israelisch-libanesischen Grenze seit fünf Jahren sind die Kämpfe zwischen israelischen Soldaten und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah am Mittwoch wieder aufgeflammt. Auslöser war der Irrflug eines Gleitfliegers aus Israel auf libanesisches Territorium. Wenige Stunden zuvor hatte die israelische Luftwaffe mehrere tausend Flugblätter über Beirut abgeworfen, auf denen in arabischer Sprache die (seit Juli in der libanesischen Regierung vertretene) Hisbollah beschuldigt wurde, ein Werkzeug Syriens und des Iran zu sein und dem Libanon zu schaden.

Israel behält sich weiteres militärisches Vorgehen vor

Israel behält sich nach den Worten von Außenminister Silvan Shalom ein weiteres militärisches Vorgehen gegen die Hisbollah-Miliz vor. Die "derzeitige Situation im Libanon kann so nicht weitergehen", sagte Shalom am Mittwoch im israelischen Rundfunk. Er warf der libanesischen Regierung vor, sich nicht gegen die Hisbollah im Südlibanon durchsetzen zu können.

Der Fernsehsender der Hisbollah, Al Manar, berichtete, israelische Truppen hätten die Grenze überquert und seien von Kämpfern der schiitischen Miliz angegriffen worden. Aus israelischen Sicherheitskreisen verlautete dagegen, die Soldaten hätten das Feuer eröffnet, um dem Drachenflieger zu helfen. Die Soldaten öffneten demnach ein Tor im Grenzzaun, um dem Mann die Rückkehr nach Israel zu ermöglichen. Die Milizionäre hätten ihn offenbar gefangen nehmen und als Faustpfand bei Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch mit Israel einsetzen wollen. Die Truppen hätten libanesischen Boden nicht betreten, hieß es. Am Dienstag griffen israelische Kampfflugzeuge mehrere Ziele im Südlibanon an. Bei den Kämpfen kamen vier Hisbollah-Kämpfer ums Leben, elf israelische Soldaten wurden verletzt.

USA rufen zu Mäßigung auf

Der libanesische Außenminister Faouzi Salloukh, ein der Hisbollah nahe stehender schiitischer Politiker, erklärte, die Verletzung libanesischen Territoriums durch Israel gefährde den Frieden. Israel müsse "unseren Luftraum, die Gewässer und unser Land" respektieren. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte Israel aufgefordert, die Verletzungen des Luftraums des Nachbarlandes einzustellen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums hatte die Angriffe der Hisbollah verurteilt und Israel gleichzeitig zu Zurückhaltung aufgerufen. Es dürfe keine Eskalation geben, sagte der Außenamtssprecher in Washington.

Abzug aus Südlibanon in 2000

Israel hatte sich im Mai 2000 nach 22-jähriger Okkupation aus dem Südlibanon zurückgezogen. Der Libanon beansprucht auch das Shebaa-Gebiet, das weiter von Israel besetzt ist, weil es nach israelischer Auffassung ursprünglich zu Syrien gehörte und deshalb erst nach einem Friedensvertrag mit Damaskus geräumt werden soll. Syrien anerkennt die libanesischen Territorialansprüche. (APA/AP/AFP)