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Harbin/Peking – Chinas Fernsehen zeigte schockierende Bilder. Der Hauptstadt der nordostchinesischen Provinz Heilongjiang, Harbin, wurde das Wasser abgedreht. In Panikkäufen räumten Bewohner vorher noch die Getränkeregale der Supermärkte aus.

Provinzfunktionäre und Bürgermeister riefen die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren. Sie sollten alle verfügbaren Gefäße in ihren Wohnungen mit Wasser auffüllen.

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Punkt Mitternacht zum gestrigen Mittwoch wurde drei Millionen Bewohnern des Stadtkerns das Leitungswasser abgestellt. Die Behörden haben Angst, es könnte mit Chemikalien verseucht sein.

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Für mindestens vier Tage darf Harbin kein Wasser mehr aus dem Songhua-Strom entnehmen, aus dem die Stadt sonst mehr als 70 Prozent ihres Wassers bezieht. Am Wochenende würde die Gefahr vorüber sein, versprach Provinzgouverneur Zhang ^Zuoji: "Ich werde dann als Erster wieder Wasser aus der Leitung trinken."

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Chinas jüngstes Umweltdesaster hatte zehn Tage zuvor wie nach dem Drehbuch eines Katastrophenfilms begonnen, und zwar in einem im Vorjahr eröffneten Zusatzwerk für das staatliche Jiliner Petrochemiekombinat, 350 Kilometer nördlich von Harbin, nur 100 Meter vom Oberlauf des Songhua-Flusses entfernt.

Ein Bedienungsfehler löste einen Brand aus, in einer Kettenreaktion zerstörten sechs Explosionen die Anlage. Fünf Arbeiter starben, 70 wurden verletzt. Unbekannte Mengen toxischer Chemikalien gelangten in den Strom, sie können zu Krebskrankheiten führen.

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Der Unfall, den chinesische Experten als bisher schwersten Chemieunfall des Landes bezeichneten, wurde öffentlich gemeldet. Die Giftgefahr, die allen Anwohnern von den flussabwärts treibenden Chemikalien droht, wurde verschwiegen.

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Eine Woche später lösten die Behörden in Harbin mit einer dreisten Unwahrheit die Panikkäufe von Getränken aus: Am Montag verkündeten sie, dass sie zu Reparaturarbeiten das Leitungsnetz gründlich überprüfen und dazu das Wasser für vier Tage abstellen müssten. Erst einen Tag darauf wurden der Bevölkerung die wahren Befürchtungen genannt.

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Niemand weiß bisher, wie stark das Flusswasser verseucht ist. Als Vorsorgemaßnahme wurden 15 Krankenhäuser auf die Aufnahme von Patienten vorbereitet, meldete die Lokalpresse. Alle Grund- und Mittelschüler sind bis zum 30. November nach Hause geschickt worden. Lastwagenkolonnen versorgen inzwischen die Stadt mit Nachschub an Wasser. Die Vorräte reichen für vier Tage.

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Harbins Notstand lenkt den Blick nicht nur auf die Verletzbarkeit moderner Großstädte, wenn ihnen Strom oder Wasser abgestellt werden, sondern auch auf die Zunahme von Umweltkatastrophen in China. Bisher waren von den sich häufenden Industrieunfällen meist Bauerngemeinden, Landkommunen oder Kleinstädte betroffen – noch nie aber eine ganze Stadt.

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Auch in Russland wurde große Besorgnis ausgelöst. Das mit Benzol vergiftete Wasser des Flusses Songhua könnte in einigen Tagen die Stadt Chabarowsk erreichen, die rund 700 Kilometer stromabwärts von Harbin liegt, wie das Außenministerium in Moskau am Mittwochabend warnte.

Indirekt wurde den chinesischen Behörden vorgeworfen, das Nachbarland nicht schnell genug über den Unfall informiert zu haben.(APA,Johnny Erling, DER STANDARD Printausgabe 24.11.2005)